Arbeits- und Organisationspsychologie
Die Arbeits- und Organisationspsychologie befasst sich mit dem arbeitsbezogenen Erleben und Verhalten von Personen in Organisationen sowie mit den Wechselbeziehungen zwischen Arbeits-, Organisations- und Marktbedingungen. Sie ist eine kontextbezogene Wissenschaft, die ihren Erkenntnisgewinn und gesellschaftlichen Nutzen durch die Erforschung komplexer Zusammenhänge und Wirkmechanismen in der realen Arbeitswelt erzielt. Laborstudien und Experimente dienen bestenfalls einer ersten Annäherung an alltägliche arbeitsbezogene und organisationale Gegebenheiten.
Die Aufgabenbereiche der heutigen Arbeits- und Organisationspsychologie reichen dabei deutlich über die Bereiche der früheren «klassischen» Betriebspsychologie (im Sinne einer Steigerung von Produktivität und Leistung) hinaus. Die Förderung der Arbeitszufriedenheit, der Persönlichkeit, des Wohlbefindens und die Erhaltung der Gesundheit am Arbeitsplatz können als eigenständige Kriterien formuliert werden. Zudem wird erkennbar, dass es sich bei der Arbeits- und Organisationspsychologie um ein vernetztes und in vielen Bezugsdisziplinen verankertes Fachgebiet handelt. Hierbei können sowohl verschiedene Grundlagendisziplinen der Psychologie wie z. B. die Allgemeine Psychologie, die Sozialpsychologie, die Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung sowie weitere anwendungsbezogene Disziplinen wie z. B. die Pädagogische Psychologie oder die Gesundheitspsychologie genannt werden. Des Weiteren lassen sich deutliche Beziehungen zu Nachbargebieten außerhalb der klassischen Psychologie wie z. B. den Ingenieurwissenschaften, den Wirtschaftswissenschaften und der Wirtschaftspädagogik, weiteren Sozialwissenschaften und auch ausgewählten Bereichen der Naturwissenschaften finden.
Begrifflichkeiten und Grundlagen der Arbeits- und Organisationspsychologie
Gegenstand dieses Inhaltsbereichs sind – neben geschichtlichen Hintergründen und Entwicklungen – grundlegende Theorien der Arbeitstätigkeit (behavioristische Ansätze, handlungs- und tätigkeitstheoretische Ansätze), aber auch der Rückgriff auf Inhalte und Theorien verschiedener weiterer Bezugsdisziplinen der Psychologie wie z. B. auf Lerntheorien, Motivationstheorien oder zentrale Ansätze der Entscheidungsfindung. Dazu zählen auch theoretische Ansätze der Management-Forschung oder der verhaltenswissenschaftlichen Organisationsforschung zur Entstehung und Wirkung verschiedener Organisationsformen und -strukturen.
Analyse, Gestaltung und Optimierung von Arbeit und Organisationsstrukturen
Die Analyse von Arbeit befasst sich mit verschiedenen Methoden und Instrumenten zur Beschreibung und Erklärung von Arbeitstätigkeiten, deren Inhalten und Bedingungen. Ziel ist es dabei, zentrale Wechselwirkungen zwischen Arbeitsbedingungen und -prozessen einerseits und dem arbeitenden Menschen andererseits ermitteln zu können. Im Fokus steht des Weiteren die Frage nach der optimalen Gestaltung von Arbeitsplätzen, Arbeitsumgebungen und Büroräumen. Ebenso stehen Fragen der zeitlich-organisatorischen Gestaltung von Arbeitsprozessen sowie nach gelingender Mensch-Maschine- bzw. Mensch-Computer-Interaktion (z. B. Usability) im Fokus arbeits- und organisationspsychologischer Eingriffshandlung. Einen besonderen Interessenschwerpunkt bilden zunehmend neue Organisationsformen der Arbeit vor dem Hintergrund des dynamischen, technisch-organisatorischen und demografischen Wandels. Zu nennen sind hier insbesondere Formen der Projekt-, Team- und Netzwerkarbeit unter Alters- und Diversitätsaspekten sowie neue Formen der Kooperation, des Problemlösens und des Entscheidens. Neben der Analyse, Gestaltung und Optimierung von Arbeit liegt ein weiterer Schwerpunkt der Arbeits- und Organisationspsychologie auf den etwas weiter gefassten Strukturen in Organisationen. Kernthemen sind Organisationstheorien einschließlich der Organisationsstrukturen und -prozesse, Organisationskulturen, Organisationsentwicklung, Veränderungsmanagement und lernende Organisationen, Führung und Arbeitsgruppe, Methoden der Organisationsanalyse sowie Analysen des Organisationsklimas.
Verhalten und Interaktion in Arbeitskontexten
Bezüglich des Verhaltens in Organisationen stehen persönliche Verhaltens- und Leistungsdispositionen der Mitarbeiter, verschiedene Formen des Selbst- und Zeitmanagements, als besonders produktiv bzw. kontraproduktiv bekannte Verhaltensweisen, Fehler und Fehlhandlungen sowie die Bereitschaft zu besonderem Engagement im Vordergrund. Ebenfalls eng mit diesem Inhaltsbereich verknüpft finden sich Fragen nach arbeitsbezogenen Emotionen, Arbeitszufriedenheit, Identifikation, Commitment und dem Vertrauen in Organisationen. Auch der Aspekt der Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Freizeit kann als zentral für diesen Bereich betrachtet werden. Zudem schließt der Bereich sämtliche Kommunikations- und Interaktionsprozesse der an einem Arbeitsprozess beteiligten Personen (z. B. Mitarbeiter, Führungskräfte, Kunden) ein, sowohl innerhalb einer Hierarchieebene (z. B. zwischen Mitarbeitern) als auch hierarchieübergreifend (z. B. zwischen Mitarbeitern und Führungskräften). Als zentrale Aspekte dieses Bereichs können verschiedene Kooperationsformen, aber auch Konflikte (z. B. Mobbing) zwischen einzelnen oder mehreren Mitarbeitern, Fragen der Führung, der Macht, des Einflusses oder des Verhandelns genannt werden. Als klassisch psychologische Unterstützungsmöglichkeiten bei Interaktionsprozessen nehmen Coaching und Mentoring zentrale Positionen ein.
Wirkung und Bedeutung von Arbeit
Im Kontext der Wirkung und Bedeutung von Arbeit stehen Fragen nach arbeitsbezogenem Kompetenz- und Sinnerleben, aber auch nach arbeitsbezogenen Belastungsfaktoren (potenziellen Stressoren), Beanspruchungen und Beanspruchungsfolgen wie etwa Stress, Burn-out, Ermüdung, psychosomatischen Beschwerden im Fokus. Auch die Frage nach der Auswirkung von Unterforderung oder dem Fehlen von Arbeit gehört zu diesem Bereich.
Personalpsychologische Fragen
Fragen nach Berufseignung, einer soliden Basis für Berufsentscheidungen, möglichst gezielter und valider Auswahl von Mitarbeitern und Führungskräften auf der Basis verschiedener eignungsdiagnostischer Verfahren (Bewerbungsunterlagen, Arbeitsproben, Assessment-Center, Einstellungsinterviews) sowie nach dem Nutzen von Personalentscheidungen stehen im Bereich der Personalgewinnung und Personalauswahl im Vordergrund. Personalentwicklung umfasst u. a. Fragen der beruflichen Förderung, der Verhaltensmodifikation und der Wissenserweiterung von Mitarbeitern. Hierbei spielen – neben möglichen Formen und Funktionen arbeitsbezogener Leistungsbeurteilung – vor allem verschiedene Ansätze der Personalentwicklung und des Trainings (wissensorientierte, verhaltensorientierte Verfahren und arbeitsorientiertes Lernen) sowie die Evaluation und Transfersicherung der Interventionen eine zentrale Rolle.