exekutive Dysfunktion
[engl. executive dysfunction; lat. exsecutio Ausführung, gr. δυσ- (dys-) miss-], [BIO, EM, KOG], die exekutive Dysfunktion ist ein Oberbegriff, der die Fehlfunktion verschiedenartiger kogn. (Kognition), emot., affektiver (Emotionen, Affekt) und motivationaler (Motivation) Funktionen beschreibt. Um Unschärfen und Missverständnisse zu vermeiden, sollte er im klin. Kontext unbedingt durch weitere Spezifizierungen konkretisiert werden. Häufig werden die Begriffe Störungen der Exekutivfunktionen und dysexekutives Syndrom syn. mit der exekutive Dysfunktion verwandt. Exekutive Dysfunktion stellt dabei häufig die Folge von Schädigungen des präfrontalen Kortex (Hirnschädigung) oder seiner Verbindungen dar. Beim Vorliegen einer exekutiven Dysfunktion kommt es oft nicht nur zu kogn. oder geistigen Veränderungen, sondern auch zu Verhaltensauffälligkeiten (Verhaltensstörungen; Müller, 2013a) sowie Persönlichkeitsänderungen (v. a. in den Bereichen Impulskontrolle, Antrieb und Affekt). Dies kann sich in einer Antriebsminderung oder Antriebslosigkeit (Antriebsmangel, Störungen des Antriebs und Affekts) äußern oder auch in mangelnder emot. Kontrolle, Impulsivität oder einer Enthemmung des Verhaltens. Die Symptomatik geht häufig mit einer mangelnden Störungseinsicht (unawareness) einher.
«Exekutivfunktionen» (exekutive Funktionen) ist ein aus dem Englischen entlehnter Begriff, der i. d. R. mit «Steuerungs»- oder «Leitungsfunktionen» übersetzt wird. In der klin. Neuropsychologie werden Exekutivfunktionen als metakognitive Prozesse (Metakognition) bez., die zum Erreichen eines def. Ziels die flexible Koordination mehrerer Subprozesse steuern bzw. ohne Vorliegen eines definierten Zieles an der Zielerarbeitung beteiligt sind. Exekutivfunktionen sind Regulations und Kontrollmechanismen, die zielorientiertes und situationsangepasstes Verhalten ermöglichen. Exekutivfunktionen regulieren top-down (Top-down-Verarbeitung) domänenspezif. Fähigkeiten und kommen ins Spiel, wenn die Situation ein Abweichen von eingeschliffenen Handlungsroutinen erfordert. Exekutivfunktionen und somit auch ihre Dysfunktionen stellen eine sehr heterogene Gruppe von Prozessen dar. Die meisten Autoren gehen letztlich davon aus, dass Exekutivfunktionen ein psychol. Konstrukt sind, welches versch. unabh. Prozesse umfasst, die selektiv gestört sein können. Die dabei auftretenden klin. Symptome können sich neben den kogn. Störungen auch in sehr unterschiedlichen Verhaltensstörungen präsentieren.
Störungen der Exekutivfunktionen wurden in der Vergangenheit mit unterschiedlichen ps. Modellen erklärt: Aus kognitionspsychol. Perspektive war das Modell eines «Supervisory Attentional System» (Supervisory Attentional System (SAS)) von Norman & Shallice (1980) bzw. Shallice (1982) das erste, das zur Erklärung der Störung von Exekutivfunktionen herangezogen wurde. Etwas später wurde das «Working Memory Modells» von Baddeley (1986) als Modell für den Aufbau der Exekutivfunktionen und zur Erklärung ihrer Störungen entwickelt. Weiterhin können handlungstheoretische Ansätze oder das «Test-Operate-Test-Exit-Modell» (TOTE-Einheit) von Miller et al. (1960) herangezogen werden, wonach das inflexible Verhalten der Pat. durch die Aktivierung alter, inadäquater Aktionsschemata zu erklären ist.