Forschungsprogramm
[engl. research program], [PHI], zentraler Begriff in Lakatos’ Methodologie wiss. Forschungsprogramm; ein Forschungsprogramm dient der Forschung in einem Wissenschaftsbereich als Grundlage und Orientierung. Es ist best. durch theoretische Grundannahmen (harter Kern), die vor Falsifikation bewahrt werden (neg. Heuristik), und eine Menge von Hilfsannahmen (Schutzgürtel), die verändert werden, um empirischen Ergebnissen Rechnung zu tragen; zum Forschungsprogramm gehören weiterhin Pläne (pos. Heuristik) zur Entwicklung des Schutzgürtels und zur Anwendung der theoretischen Annahmen. Je nachdem, wie gut sich Letztere bewähren und zur Entdeckung neuer Phänomene sowie zu höherem Gehalt führen, gilt das Forschungsprogramm als progressiv oder degenerativ.
Nach Herrmann ist ein psychol. Forschungsprogramm bestimmt durch einen von einer Forschergruppe akzeptierten Annahmekern; dieser enthält auf der Grundlage gemeinsam vorausgesetzter Annahmen eine Problemstellung sowie Ideen bzw. Pläne über Lösungsmöglichkeiten. Forschungsmethoden und v. a. Theorien sind Mittel zur Problemlösung, die nach ihrer Tauglichkeit beurteilt werden. Herrmann unterscheidet grundlagenwiss. und technologische Forschungsprogramme. Erstere sind entweder durch ein Sachproblem bestimmt (z. B. Leistungsmotivation, Angst, Tiefensehen), zu dessen Bearbeitung versch. Theorien herangezogen oder neu entwickelt werden (Domainprogramme); oder das Interesse gilt einer best. theoretischen Idee (Hedonismus, Isomorphismus), die zu nomologischen Aussagen weiterentwickelt und zu Erklärungszwecken empir. angewendet wird (quasi-paradigmatische Programme). Technologische Forschungsprogramme sind der Entwicklung standardisierter Techniken (Tests, Therapietechniken usw.) gewidmet oder der Erarbeitung operativen Wissens. Forschungsprogramme sind auf komplexe Weise vernetzt, insbes. durch Import und Export von Theorien (Theorie). Forschungsprogramme unterliegen auch externalen Einflüssen, z. B. Moden, Politik, Administration. Wissenschaftstheorie.