Humankapital
[engl. human capital], [AO, PER, SOZ, WIR], beschreibt diejenigen Merkmale einer Person, die ihr ermöglichen, wirtschaftlich produktiv zu handeln. Der Begriff geht auf Arbeiten der Wirtschaftswissenschaftler Jacob Mincer, Theodore W. Schultz und Gary S. Becker zurück. Das Konzept dient der Erklärung von indiv. Unterschieden im ökonomischen Erfolg (mikroökonomisch, etwa Einkommensunterschiede) und von nationalen Unterschieden im ökonomischem Erfolg (makroökonomisch, etwa im durchschnittlichen Pro-Kopf-Bruttonationaleinkommen). Daneben wird Humankapital zum Verständnis von Gesundheitsverhalten, Erziehung und Fertilität herangezogen. I. d. R. wird Bildung als Indikator für Humankapital verwendet, konkret der höchste Abschluss einschließlich tertiärer Bildung oder der Umfang an Bildungsjahren (Schule, Berufsschule und Hochschule zus.).
Den Humankapitalbegriff und seine typische Verwendung in der wirtschaftswiss. Forschung begleiten vier Probleme: (1) Der Begriff lässt unklar, was am Humanvermögen relevant ist. Es fehlt eine ps. Explikation. (2) Es bleibt bei den üblichen stat. Analysen mit Grobindikatoren unklar, was wirkt und wie etwas wirkt. (3) Der Ausschluss der Bedingungsfaktoren für Humankapital, auch von genetischen Faktoren, führt zu verfälschenden Interpretationen. (4) Die in den wirtschaftswiss. Analysen gängigen unstandardisierten Koeffizienten und Signifikanztests machen es schwierig, Effekte (Effektgröße) zu bewerten und über versch. Studien zu vergleichen. Um herauszufinden, was an Humankapital relevant ist, ließen sich anforderungs- und tätigkeitsanalytisch die in versch. Berufen relevanten Personenmerkmale herausarbeiten. Dabei wurde auffällig, dass die korrelativ im indiv. oder makrosozialen Vergleich relevanten Merkmale wie Intelligenz und Wissen zwar relevant sind, aber grundlegende Personenmerkmale übersehen werden. So müssen Lehrer auch hören, Architekten sehen und Verkäufer gehen können. Da dies aber nahezu alle Personen können, fallen diese Merkmale in korrelativen Studien heraus, auch in eignungsdiagn. Analysen.
Die Verwendung von Bildungsmaßen kaschiert, dass nicht Bildungstitel und verbrachte Jahre in der Schule relevant sind, sondern kognitive Kompetenz (kognitive Kompetenzen, Kulturvergleich, Intelligenz, also Denkvermögen, Wissen und seine intelligente, verstehende Nutzung), leistungsförderliche Persönlichkeitsmerkmale (Gewissenhaftigkeit, Motivation, Anpassungsfähigkeit) und allg. Gesundheit, die insges. brauchbar durch Bildungsmaße abgedeckt, aber nicht benannt werden. Und für deren Entstehung sind neben Bildung auch genetische, kult. und familiäre Faktoren bedeutsam. Bildung könnte für diese alle auch Indikatorfunktion, nicht nur Entwicklungsfunktion haben (Spence, 1973).
Wirtschaftswiss. Publikationen verwenden Formelexplikationen und Regressionsmodelle mit unstandardisierten Koeffizienten (Regressionsanalyse). Pfadmodelle, die Wirkfaktoren und deren Abhängigkeit untereinander darstellen und prüfen, und Effektstärkemaße (etwa Korrelationen) fehlen aber häufig. Für die zukünftige Forschung wäre es notwendig, in theoretischen Modellen die hinter psychol. Bedingungsfaktoren relevanten Determinanten und deren Verschränkung untereinander und ihre Effekte auf Zielgrößen wie Berufserfolg, Einkommen und Wohlstand abzudecken. Auf makroökonomischer Ebene wären wie auf indiv. Ebene Längsschnittanalysen (Längsschnittuntersuchung) notwendig, um Wechselwirkungen zw. (indiv. oder aggregierten) Personenmerkmalen und ökonomischen und politischen Zielgrößen abzubilden. Kogn. Kompetenz führt nicht nur zu Wohlstand, sondern Wohlstand trägt auch zu Kompetenz bei, nicht aber zu leistungsförderlichen Persönlichkeitsmerkmalen. Humankapital, organisationales, soziales Kapital, Sozialkapital.