Messung, formative vs. reflektive

 

[engl. formative vs. reflective measurement (models); lat. formare bilden, reflectere zurückdrehen/-beugen], [FSE], in der Psychometrie werden Konstrukte (Variable, latente) i. d. R. indirekt über mehrere Indikatoren (Variable, manifeste) operationalisiert. reflektive Messung/reflektive Operationalisierung: Insbes. bei der Verwendung von Strukturgleichungsmodellen (Faktorenanalyse, konfirmatorische) wird i. d. R. angenommen, dass die Ausprägung der Indikatoren kausal durch das zugrunde liegende Konstrukt determiniert wird. Die Ausprägung der Indikatoren wird damit als Folge/Konsequenz der Konstruktausprägung modelliert. Bspw. wird angenommen, dass das Konstrukt Kundenzufriedenheit bedingt, ob ein Kunde ein Produkt wiederkaufen würde (reflektiver Indikator 1) oder ob er den Kauf weiterempfehlen würde (reflektiver Indikator 2). Bei Intelligenztests determiniert das Konstrukt Intelligenz die Lösung bzw. die Wahrscheinlichkeit der Lösung der Testitems (reflektive Indikatoren). Prinzipiell können alle Indikatoren, die eine valide Konsequenz der Konstruktausprägung widerspiegeln, als Element einer reflektiven Indikatorgruppe aufgenommen werden. Im Idealfall sind alle Items Teil einer streng eindimensionalen Skala (Item-Response-Theorie), sodass es unerheblich ist, welche Items als Indikatoren verwendet werden (Adaptives Testen). Es ist dann lediglich wichtig sicherzustellen, dass eine hinreichende Reliabilität und Validität der Messung gewährleistet wird. Die wichtigsten psychometrischen Modellierungsansätze (Klassische Testtheorie, Item-Response-Theorie (IRT), Rasch-Modell, Skalenanalyse) basieren auf der reflektiven Operationalisierung von Konstrukten.

Formative Messung/formative Operationalisierung: Eine formative Operationalisierung liegt vor, wenn die Ausprägung des Konstrukts kausal durch die manifesten Einzelindikatoren determiniert wird. Die Ausprägung der Indikatoren wird damit als Ursache/Antezendenz der Konstruktausprägung modelliert. Bspw. wird angenommen, dass die Qualität des erworbenen Produkts (formativer Indikator 1) und die Beratung durch den Verkäufer (formativer Indikator 2) kausal das Konstrukt Kundenzufriedenheit bedingen. Für eine psych. Störung würde dies bedeuten, dass nicht die Symptome (reflektive Indikatoren), sondern Störungsursachen (formative Indikatoren) erfasst würden. Das Messmodell entspricht einem multiplen Regressionsmodell (Regression, multiple), bei dem die Indikatoren die Prädiktoren und das latente Konstrukt das Kriterium repräsentieren. Die geschätzte Konstruktausprägung entspricht einer gewichteten Summe der Indikatorausprägungen. Ein formatives Messmodell ist nur valide, wenn alle Ursachen der Konstruktausprägung als Indikatoren definiert sind. Fehlt nur einer der Indikatoren, der eine singuläre Ursache repräsentiert, kann das Vorliegen der Konstruktausprägung nicht mehr zuverlässig erkannt oder geschätzt werden. Die Schätzung von Pfadmodellen mit formativ operationalisierten Konstrukten erfolgt i. d. R. mittels des Partial Least Square (PLS)-Ansatzes. Da eine Gruppe formativer Indikatoren keine gemeinsame Varianzquelle reflektiert, sind übliche Gütekriterien der Psychometrie nicht anwendbar; das Hauptgütekriterium stellt die theoretische Plausibilität (i. d. R. auf Basis von Expertenmeinungen) dar. Eine solche Itemgruppe darf nicht als Skala, sondern deren gewichteter Summenwert lediglich als Index bezeichnet werden. Im Falle formativer Indikatoren liegt kein prüfbares messtheoretisches Modell zugrunde.

Konstrukte sollten nicht als formative bzw. reflektive Konstrukte bez. werden, da jedes Konstrukt i. d. R. sowohl durch eine reflektive Messung (reflektives operationalisiertes Konstrukt) als auch eine formative Messung operationalisiert werden kann.

Psychometrisch begründete Validierungen (Validierung) für fotmative Messmodelle können lediglich indirekt mittels Strukturgleichungsmodellen erfolgen, wenn simultan reflektive Indikatoren erfasst werden: (1) MIMIC (Multiple indicators and mutiple consequences)-Modelle def. für ein Konstrukt sowohl formative wie reflektive Indikatoren. (2) Nomologische Netzwerke beinhalten manifeste formative Indikatoren und mind. zwei reflektiv definierte Indikatorkonstrukte, die gemäß theoretischer Überlegungen als Konsequenz resultieren.

Referenzen und vertiefende Literatur

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