Modell
[engl. model; lat. modulus Maßstab, Muster], [FSE, KOG, PHI], ein Begriff, der im wiss. Sprachgebrauch eine ganze Reihe recht unterschiedlicher Bedeutungen besitzt. Die gebräuchlichste ist analoger Realitätsausschnitt. So wird das Wort auch in der Umgangssprache verwendet. Man spricht von Schiffsmodellen, Flugzeugmodellen usw. Mit der gleichen Bedeutung findet man es in der Wissenschaft. Das Verhalten von Wasserwellen stellt ein Modell für das Verhalten von Luftschwingungen dar. Das Verhalten von Wasser in Röhrensystemen ist ein Modell für das Verhalten von elektrischen Schaltkreisen.
In der Kybernetik versucht man, diesen Modellbegriff zu präzisieren. Man unterscheidet dort Verhaltens- und Strukturmodelle. Ein System A ist ein Verhaltensmodell eines Systems B, wenn A bei gleichen Reizen die gleichen Reaktionen zeigt wie B. Strukturmodelle sind Systeme, die ihren «Prototypen» nicht nur hinsichtlich des Verhaltens, sondern auch hinsichtlich des inneren Gefüges gleichen. Strukturmodelle sind den modellierten Realitätsausschnitten isomorph oder homomorph (Isomorphismus, Homomorphie).
In der Ps. und den Sozialwiss. hat es sich eingebürgert, Theorien, die in einer exakten Sprache formuliert sind, Modelle zu nennen. So spricht man von math. Lernmodellen statt von mathematischen Lerntheorien. Der Grund für diesen Gebrauch des Wortes Modell scheint das Bestreben zu sein, Theorien, die in einer exakten Sprache formuliert sind, gegen die sonst in der Ps. und den Sozialwissenschaften häufig umgangssprachlich formulierten Theorien abzuheben. Oft jedoch findet man das Wort Modell auch ohne jeden erkennbaren Unterschied wie das Wort Theorie verwendet. Im strengen Sinn sind Modelle in den Sozialwiss. Analogien, durch die ein beobachtetes indiv. oder soziales Verhalten (ein Phänomen, ein Prototyp) mit den Bestimmungen und Umformungsregeln eines math. Kalküls verbunden wird. Es gibt deterministische Modelle, die aus Gleichungen bestehen, und probabilistische oder stochastische Modelle, in denen Wahrscheinlichkeiten des Verhaltens best. Zuständen zugeordnet werden. Abbildung, Paradigma.
Modelle bez. eine Vorgabe (häufig ein best. Verhalten einer Person), die vom Beobachter mit dem Ziel erworben werden soll, sie unter definierten Bedingungen selbstständig und erfolgreich einzusetzen (Beobachtungslernen, Lernen). Die Modalitäten der Modellvorgabe lassen sich nach unterschiedlichen «Realitätsgraden» gruppieren: (1) reale Modelle (sie agieren authentisch vor dem Beobachter), (2) symbolisch-bildhafte Modelle (Video, Film u. ä.), (3) symbolisch-verbale Modelle (gesprochene/gelesene Anweisungen), (4) imaginäre Modelle (der Beobachter stellt sie sich vor).
Die Wirksamkeit eines Modells kann nicht ausschließlich aufgrund best. Modellmerkmale/Modelleigenschaften abgeschätzt werden, wenngleich es sicherlich sinnvoll ist, mehr oder weniger günstige Voraussetzungen aufseiten der Modellcharakteristik zu unterscheiden (z. B. Persönlichkeitsmerkmale des Modells, Modellprägnanz, Konsequenzen für das Modell). Merkmale des Beobachters (z. B. dessen sensorische Fähigkeiten, die intellektuellen Voraussetzungen, seine Lerngeschichte), Art und Komplexität der zu vermittelnden Fertigkeiten und ihre Bedeutung für den Beobachter sind zusätzliche wichtige Variablen für die Einschätzung der Modellwirksamkeit. Die im Zusammenhang mit klin.-psychol. Fragestellungen berichteten Ergebnisse zur unterschiedlichen Wirksamkeit sog. Coping- und Mastery-Modelle sind nach solchen Gesichtspunkten zu relativieren.