Reflexion, kognitionspsychologisch
[engl. reflection; lat. re- zurück, flectere biegen, beugen], [GES, KOG, PÄD, PHI], neben der physikal. Wortbedeutung für das Zurückwerfen von Wellenbewegungen bezeichnet Reflexion vor allem das «Sich-zurück-Wenden» des Denkens und des Bewusstseins auf sich selbst. Allg. hat Reflexion die Tendenz des Sich-inne-Werdens; sofern es auf das Denken bezogen wird, besteht die Def. von Aristoteles zu Recht, nach der Reflexion das Wissen vom Wissen erstrebe. Metakognitionspsychologische Reflexion bez. insbes. die Fähigkeit, eigenes Verhalten, mentale Konzepte, Gefühle und Haltungen wahrzunehmen und in Bezug zur Umwelt kritisch zu hinterfragen. Sie ist notwendige Voraussetzung, um aus gemachten Erfahrungen zu lernen, vor, während oder nach dem Ereignis (Lernen, pädagogische Perspektive). Durch die eigenständige, aber auch mit anderen gemeinsam durchgeführte Reflexion kann ein differenzierteres Verständnis des Selbst, des Anderen oder der Situation als Ganzem entstehen. Eine frühe Konzeptualisierung erfuhr der Begriff durch John Dewey (1997), der im Spannungsfeld der Reformpädagogik und traditionellen Pädagogik den sinnvollen Umgang mit den Erfahrungen der Schüler im Lernzusammenhang erarbeitete. Dabei schrieb er der von Schüler und Lehrer gemeinsamen und einfühlsamen Reflexion dieser Erfahrungen einen wichtigen Stellenwert zu. Donald Schön (1987) entwickelte den Begriff weiter im Zusammenhang mit Aus- und Fortbildung und der Frage, wie Menschen, die an Universitäten theoretisches und systematisches Wissen erworben haben, im teilweise komplexen und unsystematischen Praxisalltag lernen und sich weiterentwickeln können. Während man für klar umschriebene Praxissituationen am besten die Standardisierung von Abläufen lernt, bedarf es in komplexen, schwierigen Alltagssituationen häufig zunächst einer Analyse der zugrunde liegenden Probleme, um adäquate Lösungen entwickeln zu können. Für solche Situationen kann eine unreflektierte Anwendung standardisierter Abläufe ein Qualitätsproblem darstellen, wohingegen eine reflektierte und differenzierte Analyse der Situation unter Einbezug aller möglicher Perspektiven eine größere Aussicht auf adäquate Lösungen und damit verbesserte Ergebnisse hat.
Das heute in der Med.-Ausbildung am häufigsten verwendete zyklische Reflexions-Modell ist das Vier-Phasen-Modell von Kolb (1984), in dem ausgehend von einer konkreten Erfahrung (Phase 1) und deren vertiefter Wahrnehmung und Reflexion unter Einschluss aller beteiligten Perspektiven (Phase 2) ein neues und differenzierteres Verständnis der Situation, aber auch des eigenen Lernbedarfes entstehen kann (Phase 3). Unter den eingeschlossenen Perspektiven finden sich neben den allg.gültigen Fakten auch subj. Faktoren wie mentale Konzepte, affektive Faktoren, kult. Einflüsse etc. Anhand der aus der Reflexion erfolgten Schlussfolgerung kann eine neue Erfahrung geplant, umgesetzt und erneut ggf. reflektiert werden (Phase 4). Reflexion wird in der Entwicklung guter Therapiebeziehungen, in der Ausbildung von adäquaten professionellen Fähigkeiten und Haltungen, sowie allg. beim Lernen in der Praxis eingesetzt. Professionalisierung, ärztliche.