soziales Kapital, Sozialkapital
[engl. social capital; lat. capital Geldmittel, Vermögen], [SOZ]. Soziales Kapital ist ein sozialwiss. Begriff, der in unterschiedl. Wissenschaftsbereichen der Ps. – Familienps., Organisationspsychologie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Schulpsychologie, Gesundheit und Wissensmanagement, Gemeindepsychologie, Positive Psychologie – anwendbar ist. Sympathie und Vertrauen, das sich Gruppenmitglieder entgegenbringen, fungieren als soz. Ressourcen, die gewinnbringend eingesetzt werden können. Das gilt sowohl auf der Ebene der Person als auch auf der Ebene der Gesellschaft. Soziales Kapital wird auf der Grundlage von Mitgliedschaften in soz. Netzwerken erworben. Diese tragen bes. zu sozialem Kapital bei, wenn sie Personen beinhalten, die über Fachwissen verfügen, gute Ratschläge geben können und/oder hilfsbereit sind.
Zu den Gründern der Theorie zählen Pierre Bourdieu, James Coleman, Francis Fukuyama, Alejandro Portes und Robert Putnam (Kreuter & Lezin, 2002). Eine Übersicht über unterschiedliche Def. von sozialem Kapital wurde von Adler & Kwon (2002) zus.gestellt. Bourdieu (1985, S. 248) als einer der Gründer der modernen Forschung zum sozialen Kapital definiert soziales Kapital wie folgt: «the aggregate of the actual or potential resources which are linked to possession of a durable network of more or less institutionalized relationships of mutual acquaintance or recognition». In dieser Def. wird auf Reziprozität verwiesen, die ein grundlegender Baustein für soziales Kapital darstellt. Eine Kurzdef. von sozialem Kapital lautet, dass die Sympathie und das Vertrauen, das sich Gruppenmitglieder entgegenbringen, als soz. Ressource fungieren. Adler & Kwon (2002) fassen Sympathie und Vertrauen unter dem Begriff des Wohlwollens [engl. good will] zus. Die Idee der Theorie des sozialen Kapitals kommt im engl. Sprichwort zum Ausdruck United we stand, divided we fall. Soziales Kapital in der Bildung wird bspw. durch unterstützende Eltern veranschaulicht, die ihrem Kind den Erwerb von (schulischem) Wissen erleichtern. In zwischenmenschlichen Beziehungen wird soziales Kapital durch bürgerschaftliches Engagement aufgebaut, wie es sich in der Freiwilligenarbeit zeigt, die sich auf der Grundlage der indiv. Hilfeleistung zu einem wichtigen Pfeiler der soz. Arbeit entwickelt hat (Bierhoff, 2002).
Putnam, 2000 stellte bridging und bonding Sozialkapital gegenüber, um soziale Beziehungen, die auf losen Netzwerken (Bekannte, Nachbarn, Mitglieder von Kirchengemeinden) und auf emotional engen Beziehungen (enge Freunde, Familienmitglieder) beruhen, zu unterscheiden. Dem liegt die Unterscheidung von schwacher Bindung [engl. loose ties] und starker Bindungen [engl. strong ties] zugrunde. In beiden Beziehungsformen kann ein Informationsaustausch, soziale Unterstützung und reziproke Hilfeleistung (Reziprozität) erfolgen, aber bonding Sozialkapital basiert stärker auf emotionaler Nähe, während bridging Sozialkapital dazu beiträgt lose Beziehungen aufrechtzuerhalten. Das Internet fördert durch seine technischen Angebote die Aufrechterhaltung soz. Beziehungen (soziale Netzwerke im Internet). Bridging Sozialkapital wird auf der Basis von losen soz. Netzwerken, wie sie vielfach durch soz. Medien ermöglicht werden, aufgebaut (Ellison & Vitak, 2015). Sie erleichtern die Verbreitung neuer Ideen, da häufig Menschen aus unterschiedlichen soz. und beruflichen Kontexten miteinander verbunden werden.
Reziprozität stellt einen zentralen Baustein des sozialen Kapitals dar. Sie kann auf Gegenseitigkeit in spezif. Beziehungen (spezif. Reziprozität) beruhen oder als generalisierte Reziprozität auftreten, bei der erwartet wird, dass – wenn eine Notlage eines Gruppenmitglieds auftritt – andere Gruppenmitglieder intervenieren, unabhängig davon, ob ihnen zuvor geholfen wurde. Generalisierte Reziprozität trägt besonders zur Bildung von sozialem Kapital in der Gesellschaft bei (Putnam, 2000). Denn sie steht quantitativ in viel größerem Umfang innerhalb einer Gruppe zur Verfügung als spezif. Reziprozität, die auf einzelne Personen beschränkt ist.
Durch die Interaktion der Gruppenmitglieder in sozialen Netzwerken wird soziales Kapital generiert (networking). Es hängt mit mehreren pos. Konsequenzen zusammen (Helliwell & Putnam, 2004): insbes. auf indiv. Ebene pos. Gesundheitseffekte, pos. Effekte auf das Wohlbefinden, Aufrechterhaltung von soz. Beziehungen, Abstimmung von Kooperation. Auf gesellschaftlicher Ebene steht soziales Kapital mit niedrigen Verbrechensraten und niedriger Korruption in Zusammenhang. Sinkendes Sozialkapital hängt mit mehr soz. Unruhen, weniger Engagement der Bürger bei gemeinnützigen Aktivitäten und wachsendem Misstrauen in der Gesellschaft zusammen.
In einer Studie westlicher Industriestaaten auf aggregierter Datenebene, in der unterschiedliche Staaten miteinander auf der Grundlage des World-Value-Survey verglichen wurden, ergab sich, dass Ehrlichkeit (Ehrlichkeit, Steuer-) und Vertrauen der Bürger mit Indikatoren des wirtschaftlichen Wachstums pos. zusammenhängen (Fetchenhauer & van der Vegt, 2001). Diese Ergebnisse zeigen, dass eine spezif. Ausprägung soz. Einstellungen in der Gesamtbevölkerung mit sozioökonomischen Erfolgsindikatoren auf staatlicher Ebene zusammenhängt. Pos. Einstellungen zu Vertrauen und Ehrlichkeit stellen soziales Kapital dar, das Gesellschaften nutzen können, um zu prosperieren. Zusammenhalt, sozialer