Zwangsstörungen

 

[engl. obsessive-compulsive disorders], [KLI], Rituale und Gewohnheiten sind allen Menschen bekannt. Sie erleichtern den Alltag und helfen bei Entscheidungen in neuen Situationen. Versch. Rituale gehören zum Alltag (z. B. bei Begrüßungen), und ganz spez. bei der Bewältigung emot. relevanter Situationen (z. B. Beerdigungsrituale). Auch in versch. Kulturen finden sich Hinweise auf Rituale. Hauptgruppen von Zwangsstörungen [engl. obsessive-compulsive disorders]: Waschzwänge (z. B. Putzen, Reinigen), Kontrollzwänge (Wiederholte Kontrollen alltäglicher Tätigkeiten), gedankliche Zwänge, z. B. Gedanken aggressiver, blasphemischer oder sexueller Art, aber auch sinnlose Gedanken wie Zählen.

Ätiologie: Es exisitert keine einheitliche Erklärung zur Entstehung von Zwangsstörungen. Generell wird auf eine Kombination von Umwelt und von genetischen Faktoren verwiesen, wobei deren Interaktion ebenfalls ungeklärt ist. Bei den Umweltfaktoren gelten Belastungen in der Kindheit und Jugend als wichtige Faktoren, fallweise wird auch auf Infektionserreger und auf Aspekte des Autoimmunsystems verwiesen. Bei den genetischen Faktoren spielt eine genetische Transmission vermutlich eine gewisse Rolle, hier allerdings eher i. S. einer allg. Vulnerabilität für psychische Störungen. Als spezif. müssen Dysfunktionen im orbitofrontalen Kortex und im anterioren Gyrus cinguli angeführt werden (Gehirn). Etwas einheitlicher ist die Erklärung der Aufrechterhaltung der Problematik: Hier kann man mit durchaus guten Gründen auf eine Kombination lerntheoretischer und kogn. Mechanismen verweisen. Dabei ist es nicht so sehr der Inhalt des Gedankens, der zu einer Zwangsstörung führt, sondern dessen Bewertung vor einem biografischen Hintergrund (s. Abb.). Gedanken, auch unerwünschter Art, sind Bestandteil des kogn. Prozessierens bei allen Menschen (1). Erst durch die Bewertung des Gedankens als unerwünscht, als unakzeptabel etc. erhält der Gedanke eine best. Bedeutung (2), diese verursacht bei der Person emot. Unruhe (3), die von der Person als unangenehm erlebt wird und die durch einen Gedanken oder eine Handlung (4) reduziert wird (neg. Verstärkung; Konditionierung, operante). Diese Beruhigung funktioniert allerdings nur kurzfristig und bildet einen weiteren Hinweis auf die Relevanz des Gedankens, womit der pathologische Kreislauf im Gang bleibt. Die Logik des Modells verweist auf den Umstand, dass die Zwangsstörung aus zwei Komponenten besteht, nämlich aus dem aufdringlichen Gedanken einerseits und dem Ritual der Neutralisierung andererseits. Dieser Umstand hat klare Implikationen für das therapeutische Vorgehen.

Klassifikation: Zwangsstörungen werden im DSM-5 (Klassifikation psychischer Störungen) nicht mehr unter den Angststörungen, sondern in einer Gruppe gemeinsam mit verwandten Störungen klassifiziert (F42.x, s. Anhang I). Generell macht es Sinn, zu unterscheiden in Zwangshandlungen und Zwangsgedanken. Entscheidend für das Vorliegen einer Zwangsstörung sind folg. Kriterien: (1) Die Person erlebt den inneren, subj. Impuls, best. Dinge zu denken oder zu tun. (2) Die Person leistet Widerstand gegen den Impuls. (3) Die Person erlebt den Impuls als prinzipiell sinnlos. (4) Die Handlungen bzw. Gedanken bedeuten eine gravierende Einschränkung des Lebensvollzugs. Als Zusatzcodierung wird im DSM-5 noch auf das Kriterium der angemessenen Einsicht verwiesen, weil bis zu 10 % aller Betroffenen auch am Inhalt ihrer Überzeugungen festhalten (atypische Zwänge).

Prävalenz und Verlauf: Die 12-Monats Prävalenz von Zwangsstörungen liegt weltweit zw. 1–2 %. Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen. Der Beginn der Störung liegt im frühen Erw.alter bei ca. 22 Jahren, bei Männern ca. 5 Jahre früher und bei Frauen ca. 5 Jahre später. Waschzwänge beginnen überwiegend abrupt, während für Kontrollzwänge eher ein schleichender Beginn beobachtet wird. Ein früher Beginn (early onset) gilt als Prädiktor für eine schlechte Prognose. Ohne Behandlung ist generell von einem chronischen Verlauf auszugehen, die Rate der Spontanremission liegt nach 40 Jahren bei max. 20 %.

Diagnostik: Die Diagnostik der Zwangsstörung sollte auf unterschiedlichen Ebenen und mit versch. Instrumenten erfolgen. Für die Diagnose gilt es als Standard, ein strukturiertes klinisches Interview (Interview, klinisches) zugrunde zu legen. Zusätzlich brauchbar sind standardisierte Instrumente, wie z. B. die Yale Brown Obsessive Compulsive Scale (Y-BOCS) als Kombination eines Selbst- und Fremdratings. Das Instrument eignet sich auch gut zur Kontrolle von Therapieverläufen und zur Evaluation. Zwangsstörungen sind i. d. R. mit einer Reihe von anderen psych. (und zum Teil auch körperlichen) Störungen verbunden. Als bes. wichtig ist die hohe Komorbidität mit Affektiven Störungen zu nennen (bis zu 2/3 der Fälle). Dazu kommen Überschneidungen mit Angststörungen, insbes. mit Ängsten vor Kontamination bei Waschzwängen, aber auch Essstörungen und insbes. sog. Zwangs-Spektrum-Störungen (z. B. Tic-Störungen, Tourette-Störung, körperdysmorphe Störungen (Somatoforme Störungen). Bes. wichtig ist die Abgrenzung der Zwangsstörungen von der Zwanghaften Persönlichkeitsstörung: Letztere ist als ich-synton zu sehen, die Person zeigt ein übergreifendes Muster an Perfektionismus und rigider Kontrolle. Prinzipiell können aber auch beide Diagnosen vergeben werden. Zwangsstörungen, Psychotherapie, Zwangsstörungen, Psychopharmakotherapie.

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Zwangsstörungen: Kognitiv-verhaltenstherapeutisches Modell der Aufrechterhaltung von Zwangsstörungen in Anlehnung an P. Salkovskis

Referenzen und vertiefende Literatur

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