Wirtschaftspsychologie

Gebietsüberblick | Prof. Dr. Klaus Moser

Die Wirtschaftspsychologie umfasst jenen Bereich der Psychologie wirtschaftlicher Sachverhalte, die sich nicht mit der Produktionsseite (siehe Gebietsüberblick I.2 Arbeits- und Organisationspsychologie), sondern mit der Konsumtionsseite befassen. Konsumtion meint dabei den Umgang mit (auch) ökonomisch bewertbaren «Ressourcen». Ressourcen sind Güter, Dienstleistungen und Nutzungsrechte, die Individuen für wertvoll halten, und daher u. a. kaufen oder mieten, behalten und/oder verbrauchen wollen. Für Studierende der Psychologie ist die Wirtschaftspsychologie somit ein Anwendungsfach: Theorien, Erkenntnisse und Methoden der Psychologie werden auf ihre Anwendbarkeit auf den wirtschaftlichen Kontext hin betrachtet. Gleichzeitig kann sie aber auch als Grundlagenwissenschaft – beispielsweise in wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Zusammenhängen – betrachtet werden. Zu den wichtigen Grundlagen- und Bezugsdisziplinen der Wirtschaftspsychologie zählen die Sozialpsychologie, die Allgemeine Psychologie sowie die Differentielle Psychologie, wichtige Nachbargebiete sind neben dem Marketing und der Kommunikationswissenschaft auch die Wirtschaftssoziologie sowie die experimentelle Ökonomie.

Werbekommunikation

Für die Wirtschaftspsychologie sind die Werbegestaltung und -wirkung sowie die Bedeutung und Wirkung von Marken ein erstes Kerngebiet. Dabei lohnt zunächst eine Betrachtung der Wirkung verschiedener Werbebotschaften. Nicht jede Werbebotschaft erreicht ihr Ziel; genauer zu verstehen, wie Werbung eigentlich wirkt, ist somit ein zentrales Ziel der Wirtschaftspsychologie. Auch die Frage nach Markenwirkung und Markentreue sowie die psychologisch fundierte Analyse von Marketinginstrumenten sind von Interesse.

 

Konsumentenverhalten

Die Wirtschaftspsychologie beschäftigt sich weiterhin mit der Entstehung und Änderung von Einstellungen sowie verschiedenen Prozessen von Kaufentscheidungen (und hierbei reicht die Spannweite von wenig reflektierten, fast automatisch ablaufenden Verhaltensweisen bis hin zu gründlich durchdachten Abwägungen zwischen einer größeren Zahl von Alternativen). Hierbei sind auch Modelle und Determinanten der Entstehung und Aufrechterhaltung von Kundenzufriedenheit zentral. Eine besondere Bedeutung kommt grundlegenden kognitiven, motivationalen und emotionalen Aspekten der Informationsverarbeitung zu. Für Konsumenten ist es nicht nur wichtig, möglichst «ökonomisch» zu entscheiden, sondern auch andere Ziele wie zum Beispiel das Vermeiden von negativen Emotionen (z. B. Enttäuschungen) oder die Rechtfertigbarkeit von Entscheidungen vor anderen und sich selbst einzubeziehen.

 

Erhalten und Mehren von ­Ressourcen

Ein weiteres Teilgebiet der Wirtschaftspsychologie fokussiert das Erhalten und Mehren von Ressourcen, insbesondere von Geld, Gesundheit, der Balance von verschiedenen Lebensbereichen und der Erwerbsfähigkeit. Während sich zu ersterem Bereich die Finanzpsychologie ausdifferenziert hat – von Ökonomen auch als Behavioral Finance bezeichnet –, grenzen die anderen Bereiche an die Arbeits- und die Berufspsychologie. Letztere nähern sich vor allem dann dem Kern der Wirtschaftspsychologie, wenn es um die ökonomische Bewertung dieser Ressourcen geht (z. B. Zahlungsbereitschaft für Lebensqualität, die eigene Weiterbildung, häusliche Dienstleistungen) oder darum, welche monetären und nicht monetären Kosten aus dem Verlust der Ressourcen resultieren.

Dass Geld selbst eine zumindest vorübergehend erhaltenswerte Ressource ist, wird vor allem dann zu einem ökonomisch relevanten Thema, wenn Konsumentscheidungen aufgeschoben werden und Geld «gespart» wird. Volkswirtschaftlich bedeutsam wird dies, wenn sich eine kollektive Konsumzurückhaltung negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirkt.

Eine weitere besonders interessante Ressource, die sich im Übrigen der Vorstellung, man könne sie «kaufen», weitgehend entzieht, ist die Gesundheit. Auch sie steht im Fokus der Wirtschaftspsychologie und ist dadurch gekennzeichnet, dass man ihrer oft erst dann gewahr wird, wenn sie verloren zu gehen droht. Doch auch wenn man Gesundheit nicht kaufen kann, so ist sie keineswegs eine unbedeutende ökonomische Größe. Die Frage nach einem in diesem Kontext angemessenen Gesundheitsbegriff und einem angemessenen Gesundheitsverhalten ist schließlich unmittelbar assoziiert mit zentralen Lebenszielen einer Person sowie mit dem Wert, der verschiedenen Lebensbereichen zugemessen wird («Work-Life-Balance»).

 

Bürger sein und das Gestalten von Ressourcen

Mit der Idee des Bürgerseins und des Gestaltens von Ressourcen wird die Verantwortlichkeit wirtschaftlich handelnder Individuen jenseits des kurzfristigen Eigeninteresses fokussiert. Wirtschaftspsychologisch bedeutsam sind solche Fragestellungen, weil Verhalten erklärt werden soll, das für das Individuum kurzfristig eher ökonomisch riskant denn vorteilhaft ist. Vier zentrale Fragen werden dabei betrachtet: (1) Was bewegt Individuen (und Organisationen) zu nachhaltigem Agieren, also zum Beispiel auch die Interessen unbekannter anderer Menschen oder zukünftiger Generationen zu berücksichtigen? (2) Was ist und warum entwickelt sich Bürgersinn (Citizenship), also zum Beispiel Hilfsbereitschaft in Form von Spendenverhalten oder Freiwilligenarbeit? (3) Was erklärt kontraproduktives Verhalten wie Vandalismus und unter welchen Bedingungen werden öffentliche Güter in ihrer Wertigkeit anerkannt und unterstützt (z. B. durch das bereitwillige Bezahlen von Steuern)? (4) Was erklärt berufliche Selbstständigkeit, insbesondere solche, die dazu führt, dass auch andere Menschen eine Erwerbsmöglichkeit erhalten?

 

Referenzen und vertiefende Literatur

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