Acetylcholin
[engl. acetylcholine], [BIO, PHA], der Neurotransmitter Acetylcholin wird aus aktivierter Essigsäure (Acetyl-Coenzym A) und dem im Nahrungsfett Lecithin (Phosphatidylcholin) enthaltenen Cholin synthetisiert. Der in den Spalt ausgeschüttete Botenstoff wird im Wesentlichen dort durch das Enzym Acetylcholinesterase (kurz: Cholinesterase) abgebaut. Für Acetylcholin kennt man große Typen von Bindungsstellen, die nikotinergen und die muskarinergen (erstere mit zahlreichen, in ihrer Bedeutung noch unklaren Untertypen, letztere mit fünf Unterformen). Acetylcholinagonistisch oder kürzer: cholinagonistisch (d. h. die Übertragung an cholinergen Synapsen verstärkend) wirken u. a. einige direkt die Rezeptoren anregenden Stoffe (so Nikotin und das im Fliegenpilz zu findende Muskarin, das in der Betelnuss enthaltene Arecolin sowie u. a. Carbachol und Pilocarpin) und Hemmstoffe der Acetylcholinesterase (Acetylcholinesterasehemmer). Psychopharmakol. relevante Acetylcholinantagonisten (Anticholinergika) sind Atropin (in der Tollkirsche) sowie Scopolamin (u. a. in Bilsenkraut, Stechapfel und Engelstrompete), welche muskarinerge Acetylcholinrezeptoren blockieren; auch viele Medikamente (bspw. die trizyklischen Antidepressiva) haben anticholinerge Effekte.
Als cholinerges System bez. man die Gesamtheit der Acetylcholin übertragenden Nervenzellen. Cholinerg sind die präsynaptischen Neurone sowohl des Sympathikus sowie des Parasympathikus mit nikotinergen Acetylincholinbindungsstellen an den postganglionären Rezeptoren); Acetylcholin als Transmitter benutzen auch die postganglionären Neurone des Parasympathikus, wobei die Rezeptoren an den Endorganen muskarinerg sind. Etwas vereinfacht ausgedrückt, spielt Acetylcholin eine «größere Rolle» im Parasympathikus als im Sympathikus. Cholinagonisten wie die psychopharmakol. sehr relevanten, bei kogn. Störungen (spez. der Alzheimer-Krankheit) eingesetzten Acetylcholinesterasehemmer wirken daher parasympathomimetisch, erniedrigen bspw. die Herzfrequenz. Cholinantagonisten wie die die muskarinergen Rezeptoren blockierenden Anticholinergika Atropin, Scopolamin sowie u. a. die trizyklischen Antidepressiva führen auf der anderen Seite zu einer Dämpfung des Parasympathikus (und so indirekt zu einer Sympathikusaktivierung mit Pulsbeschleunigung, Erweiterung der Pupillen, aber auch Reduktion der Verdauungsaktivität und Erschwerung der Blasenentleerung). Cholinerg sind weiter die Motoneurone, welche von motorischen Hirnnervenkernen und den Vorderhornzellen des Rückenmarks die Muskelfasern erreichen (mit nikotinergen Rezeptoren an den motorischen Endplatten). Zentralnervöse cholinerge Neurone finden sich einerseits in den (für die Regulation der Motorik bedeutsamen) Basalganglien sowie dem im basalen Vorderhirn lokalisierten Nucleus basalis Meynert, deren Axone u. a. in den Hippocampus ziehen und wesentlich an Lern- und Gedächtnisvorgängen beteiligt sind (Gehirn, Nervensystem). Da bei der Alzheimer-Krankheit u. a. die präsynaptische Acetylcholinausschüttung gestört ist, werden – augenblicklich mit nur beschränktem Erfolg – Acetylcholinesterasehemmer verabreicht. Umgekehrt muss bei Einnahme von Anticholinergika bzw. anticholinerg wirksamen Medikamenten mit Gedächtnisstörungen gerechnet werden. Zellkörper cholinerger Neurone befinden sich auch im Hirnstamm; sie werden – antagonistisch zu serotonergen und noradrenergen Neuronen – mit der Induktion des REM-Schlafs in Verbindung gebracht.
Generell ist davon auszugehen, dass Acetylcholin in vieler Hinsicht ein Gegenspieler zu den Monoaminen ist. Biopsychol. ist dies bes. relevant bzgl. Dopamin: Anticholinergika verstärken in vielen Punkten die Dopaminwirkung, sind also euphorisierend und können psychotisch-delirante Symptomatik hervorrufen, sind auch gegen best. Formen der Parkinson'schen Erkrankung wirksam. In noch sehr vager Weise geht man bei den affektiven Störungen von einem Ungleichgewicht zw. serotonerger und noradrenerger Aktivität einerseits, cholinerger andererseits aus, wobei sich in depressiven Episoden ein Überwiegen letzterer findet – während es in manischen Episoden (Manie) umgekehrt sein könnte.