Achtsamkeit
[engl. mindfulness], [GES, KLI], verwandte Begriffe: Aufmerksamkeit, Sorgfalt; Achtsamkeit stammt ursprünglich aus der buddhistischen Tradition und ist eine Übersetzung des Pali-Begriffes sati. Dieser bez. die Fähigkeit des Geistes, bei etwas zu verweilen, etwas im Gedächtnis zu behalten und mit der Aufmerksamkeit gegenwärtig zu sein. Die vier edlen Wahrheiten des Buddhismus besagen, dass das Leben aus Leiden besteht; dass das Leiden aus Gier, Hass und Verblendung entsteht; dass das Leiden beendet werden kann; und dass der Weg zur Aufhebung des Leidens der achtfache Pfad sei. Dieser besteht aus drei ethischen Pfeilern (rechtes Reden, rechtes Handeln, rechter Lebensunterhalt), aus drei Elementen der Kultur des Bewusstseins, und daraus folg. Weisheit und Einsicht. Ein zentrales Moment der Kultur des Bewusstseins ist sati, die Achtsamkeit. Zur Kultur des Bewusstseins gehören außerdem die richtige Intention oder Vorbereitung und die rechte Sammlung oder Konzentration. Die rechte Sammlung oder Konzentration meint die Fähigkeit des Geistes, stetig bei einer Sache verweilen zu können und gesammelt zu sein. Dies gelingt, wenn man mit der rechten Intention und Absicht den Geist übt. Daraus ergibt sich dann die Fähigkeit zur Achtsamkeit, zum Eingedenken, Erinnern und Gegenwärtigsein nicht nur in der formalen Übung der Meditation (Achtsamkeitsmeditation), sondern auch in allen Aspekten des Lebens, bei alltäglichen Verrichtungen oder bei Begegnungen mit Menschen. Die Form, Achtsamkeit zu üben und zu erlangen, ist eben genau die Kultur des Bewusstseins oder Schulung des Geistes, die Meditation.
In der jüngsten Zeit wurde der Begriff Achtsamkeit i. R. von Anwendungsprogrammen wie dem Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR)-Programm, der dialektischen Verhaltenstherapie für Borderline-Pat. (DBT), oder dem Mindfulness Based Cognitive Therapy (MBCT)-Programm popularisiert. In diesem Zusammenhang meint der Begriff Achtsamkeit daher das absichtsvolle Gegenwärtigsein unseres Geistes bei allem, was gerade im Moment geschieht, bei Empfindungen des Körpers, Bewegungen des Geistes, Wahrnehmungen und Gefühlen, ohne dass diese beurteilt werden. Empir. Untersuchungen zeigen, dass Achtsamkeit mind. eine Aufmerksamkeitskomponente und eine Akzeptanzkomponente enthält. Weitergehende Operationalisierungen schlagen auch noch vor, die Fähigkeit zu beobachten, die Fähigkeit zu benennen sowie die Fähigkeit nicht zu reagieren hinzuzunehmen.
Die Messung von Achtsamkeit wird v. a. über Selbstberichtfragebögen vorgenommen, von denen elf im Jahr 2013 vorlagen. Zu den weiter verbreiteten Instrumenten gehören der in Dt. entwickelte Freiburger Fragebogen zur Achtsamkeit (FFA, FMI auf Engl.), die Mindful Attention and Awareness Scale (MAAS, mittlerweile auch in dt. Fassung), die Five Facet Mindfulness Scale (FFMS), die aus einer gemeinsamen psychometrischen Analyse des FFA, der MAAS und der Vorgängerskala Kentucky Inventory of Mindfulness Skills (KIMS) hervorgegangen ist und das derzeit umfassendste Instrument darstellt. Gegen die Messung von Achtsamkeit durch Selbstbericht wurden grundlegende Einwände geltend gemacht, weil ein solcher Bericht immer der sozialen Erwünschtheit unterliegt, weil die Ergebnisse durch response shift (response bias) verfälscht werden und weil Personen ohne Meditationserfahrung die Items von Achtsamkeitsfragebögen grundsätzlich anders verstehen als solche mit Erfahrung. Andere Verfahren zur Messung von Achtsamkeit, wie etwa obj. Tests, liegen allerdings noch nicht vor.