Elektrokonvulsionstherapie, Elektrokrampftherapie

 

syn. Elektroschockbehandlung, [engl. electroconvulsive therapy; lat. convolvere zus.winden], [KLI], von Cerletti und Bini in den 1930er-Jahren erstmals angewandte Behandlungsmethode bei psych. Störungen, bes. bei  Depression, Schizophrenie, Manie, Neurose. Das Gehirn wird mit einer Dauer von 30–60 Sek. elektrisch stimuliert. Hierdurch wird ein cerebraler Krampfanfall ausgelöst, die Krampfsymptome sind somit indirekt, jedoch nicht direkt durch die elektrische Reizung bedingt. Die Wirksamkeit von Elektrokonvulsionstherapie gilt als sehr hoch: 80–90 % der Pat. mit Depressionen ohne Therapieresistenz oder mit schweren psychotischen Depressionen sprechen an; 50–70 % depressiver Pat. mit Therapieresistenz sprechen darauf an (zus.fassende Darstellung von Therapieeffekten: Himmighofer & Böker, 2020). Als zentrale Wirkmechanismen werden u. a. vermutet: Anstieg neurotropher Faktoren (Neurotrophine); gesteigerte Bildung von Nervenzellen und Neuroplastizität; kurzfristig verstärkte Freisetzung von Neurotransmittern (Serotonin, Dopamin, GABA); veränderte  Rezeptorenfunktion im Gehirn; Freisetzung von Hormonen; Modifikation der frontalen kortikalen Konnektivität von Hirnregionen. Die Elektrokonvulsionstherapie gilt als Therapie erster Wahl bei «schwere(r) (unipolare(r) oder bipolare(r)) Depression mit hoher Suizidalität, Wahn und/oder ausgeprägte(m) Stupor; schizoaffektive(r) Störung mit schwerer Depression; bekanntem gutem Ansprechen auf EKT; zu großem Risiko bei Anwendung anderer Behandlungen (insb. bei älteren Patient*innen oder in der Schwangerschaft/Postpartum), Patient*innenwunsch (bei gegebener grundsätzlicher Indikation)» (Himmighofer & Böker, 2020; S. 63). Als Notfallindikation wird sie empfohlen bei «perniziöser Katatonie (unbehandelt hohe Letalität); akute(r) Suizidalität oder sonstige(n) lebensbedrohliche(n) Zustände(n) (wie z. B. Nahrungs- und Trinkverweigerung) bei schweren affektiven, schizoaffektiven oder schizophrenen Störungen; manische(m) Delir; therapierefraktärem malignem neuroleptischem Syndrom» (Himmighofer & Böker, 2020; S. 63).

Die Elektrokonvulsionstherapie wird öffentlich sehr neg. wahrgenommen (z. B. aufgrund des Films «Einer flog über das Kuckucksnest»), da sie als gegen den Willen der Pat. eingesetzt und als nebenwirkungsstark empfunden wird. Sie wird jedoch nur nach intensiver Aufklärung der Pat. und Unterzeichnung eines informed consent angewendet. Durch moderne Anwendungsstandards (insbes. Anwendung unter Narkose, Muskelrelaxanzien, ärztl. Monitoring) können viele neg. Nebenwirkungen, die bis in die 1960-Jahre mit der Anwendung verbunden waren, vermieden werden. 2 bis 3 Wochen nach Behandlung treten jedoch insbes. im kogn. Bereich unerwünschte Nebenwirkungen auf  (z. B. sehr häufig: Gedächtnisstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Verwirrtheit oder Erbrechen). Empir. lässt sich langfristig kein erhöhtes Risiko für Demenz, Epilepsie, Schlaganfälle oder Hirnschädigungen nachweisen. 

Referenzen und vertiefende Literatur

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