Emotionen, Funktionen

 

[engl. emotions, functions], [EM], einer der Hauptgründe dafür, weshalb sich sowohl Laien als auch Wissenschaftler für Emotionen interessieren, ist die Überzeugung, dass Emotionen starke Auswirkungen auf das Denken und Handeln (Handlung) haben können. Traditionell wurden in der Ps. (und generell in der abendländischen Geistesgeschichte) die neg. Effekte von Emotionen betont: Prüfungsangst führt zum Versagen bei der Prüfung, im Ärger sagt und tut man manchmal Dinge, die man gleich danach bereut usw. Spätestens in den letzten 30 Jahren ist es jedoch zu einer Neubewertung der Adaptivität von Emotionen gekommen: Es hat sich nun die (historisch allerdings nicht wirklich neue) Auffassung durchgesetzt, dass Emotionen, auch wenn sie ohne Zweifel manchmal schädliche Effekte haben, insgesamt (d. h. über alle relevanten Situationen hinweg) adaptiv sind, d. h., zur Anpassung an die Umwelt beitragen. Die Funktionen von Emotionen sind diejenigen ihrer adaptiven Auswirkungen, derentwegen die Emotionen – genauer gesagt die ihnen zugrunde liegenden Mechanismen – in der Evolution (durch den Prozess der natürlichen Selektion) entstanden sind (dies unterstellt, dass zumindest der Kern des Emotionssystems tatsächlich in der Evolution entstanden ist). Das beste allg. Argument für die Annahme, dass die emot. Mechanismen Funktionen haben und somit wegen ihrer nützlichen Auswirkungen entstanden sind, lautet, dass sich die Entstehung von komplexen biol. Mechanismen wie Emotionen anders kaum erklären lässt. Unabhängig davon wird diese Annahme aber auch durch die detaillierte Analyse der Effekte von Emotionen gestützt (z. B. Ketelaar & Clore, 1997). Z. B. kann Angst zwar die Leistung bei Prüfungen beeinträchtigen; dagegen stehen jedoch die vielen anderen Situationen, in denen Angst die Vermeidung von unnötigen Risiken und die Bewältigung von Bedrohungen bewirkt.

In Bezug auf die Frage, worin genau die funktionalen Effekte bzw. die Funktionen von Emotionen bestehen (Übersichten geben z. B. Keltner & Kring, 1998), besteht allerdings nur teilweise Konsens. Die meisten postulierten konkreten Funktionen von Emotionen lassen sich jedoch einer von drei übergeordneten Funktionen zuordnen: der Aufmerksamkeitslenkungs-, der Informations-, und der Motivationsfunktion von Emotionen (1) Aufmerksamkeitslenkungsfunktion: Emotionen dienen dazu, den Fokus der Aufmerksamkeit auf die emotionsauslösenden Ereignisse zu lenken oder ihnen Vorrang in der Informationsverarbeitung zu geben (z. B. Simon, 1967). (2) Informationale (epistemische) Funktion: Emotionen stellen anderen kogn. (Sub-)Systemen (Kognition), inklusive anderen Personen, adaptiv nützliche Informationen zur Verfügung; insbes. (a) Informationen über die Ergebnisse unbewusster Bewertungsprozesse (z. B. Schwarz & Clore, 2007) oder über Änderungen im Glauben-Wunsch-System (Reisenzein, 2009) sowie (b) damit verbunden, Informationen über den Wert von Objekten und Ereignissen, einschließlich Handlungen und Handlungskonsequenzen (z. B. Damasio, 1994; Meinong, 1894; Slovic et al., 2004). Z. B. kann die Nervosität, die man bei einem Treffen mit einem Fremden erlebt, das Entscheidungssystem (Entscheiden, Entscheidungstheorie) über die unbewusste Einschätzung (appraisal) der Begegnung als bedrohlich informieren. Ein angenehmes Gefühl, das beim Denken an eine mögliche Handlung erlebt wird, signalisiert dagegen die unbewusste Billigung der Handlung und markiert sie als eine, die zu wählen gut wäre. (3) Die motivationale Funktion (Motivation) besteht in den adaptiven Auswirkungen von Emotionen auf die Handlungsziele der Person. Es wurde postuliert, dass Emotionen sowohl eine Neupriorisierung von bestehenden Zielen (Ziele) oder Absichten (Intention) bewirken können als auch dass sie neue Ziele generieren können (z. B. Frijda, 1986). In Bezug auf die Generierung von neuen Zielen ist an erster Stelle die Erzeugung von Wünschen zur Regulation der Emotionen zu nennen (z. B. Baumeister, Vohs, DeVall & Zhang, 2007; Mellers, 2000). Dieser Weg von der Emotion zur Motivation ist von zentraler Bedeutung in den auf Bentham (1789/1970) zurückgehenden hedonistischen Theorien der Motivation. Nach diesen Theorien ist ein Grundziel oder Grundmotiv (Motiv) des Menschen, wenn nicht sogar ihr einziges Grundmotiv, der Wunsch, Lust zu maximieren und Unlust zu minimieren.

Die drei beschriebenen Funktionen können möglicherweise als unterschiedliche Wege verstanden werden, auf denen Emotionen die Adaptivität von Handlungen über das hinausgehend fördern, was alleine durch Überzeugungen und Wünsche (Erwartung-Wert-Theorien) möglich wäre. Emotionen erreichen dies dadurch, dass sie den unmittelbar handlungsgenerierenden Mechanismus (den Glauben-Wunsch- oder Erwartung-Wert-Mechanismus) auf unterschiedliche Weise beeinflussen.

Referenzen und vertiefende Literatur

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