Feindbilder

 

[engl. enemy images], [SOZ], sind neg. Vorurteile, die sich u. a. auf Gruppen, Ethnien, Staaten und Ideologien beziehen. Feindbilder können einen «wahren Kern» haben, neg. Wahrnehmung und Bewertung aber werden übertrieben. Ausgeprägte Feindbilder sind oft mit Fantasien und/oder Handlungen zur Schädigung und Vernichtung des Gegners verbunden. Feindbilder sind wichtige Indikatoren für eine Konflikt-Eskalation hin zum Krieg (Friedenspsychologie). Bei der Feindbilder-Entstehung sind soziale (Zugehörigkeit zu einer Gruppe) und insbes. politische Bedingungen entscheidend: Relevante Personen, Gruppen, Organisationen und Institutionen erzeugen und intensivieren durch gezielte Handlungen und (Des-)Informationen Konflikte und Feindschaft. Große Bedeutung haben dabei Medien (Friedensjournalismus, Kriegspropaganda). Feindbilder treten häufig wechselseitig auf. Bsp.: Im Ost-West-Konflikt hatten die UdSSR und die USA ähnliche neg. Bilder voneinander. Feindbilder können durch eigenes Verhalten − i. S. einer self-fulfilling prophecy − das erwartete Verhalten des anderen produzieren. Feindbilder können zu einer ungewollten Konflikteskalation führen: Eine Seite kann etwas zu ihrer vermeintlichen Verteidigung tun, was von der anderen Seite aber als Bedrohung wahrgenommen wird.

Feindbilder-Eskalation: Bei Konflikten und Krisen können Feindbilder zunehmen, insbes. bei wahrgenommener materieller und kult. Bedrohung und tatsächlicher Gewalt. Die Fremdgruppe wird pauschal neg. bewertet: Allein die Nennung des Feind-Namens (z. B. «Christen», «Muslime», «Juden», «Ungläubige», «Asylanten», «Ausländer», «Kapitalisten», «Kommunisten») führt zu einem Bündel neg. Bewertungen und Gefühle. Bei der Feindbilder-Eskalation werden Emotionen zunehmend neg., Informationsaufnahme und -verarbeitung rigider, in der Eigengruppe steigt der Konformitätsdruck – wer das Feindbild nicht teilt, wird als Tor oder Verräter beschuldigt –, und die Gegnerschaft wird als total erlebt.

Ausgeprägte Feindbilder enthalten folg. zentrale Merkmale: (1) Negative Bewertung, insbes. als aggressiv, böse und unmoralisch, häufig auch minderwertig; dazu tragen wesentlich selektive Wahrnehmungen und Erinnerungen bei. (2) Entmenschlichung und Verweigerung von Empathie: Der Gegner wird zu «Ratte», «Schwein», «Hund» o. Ä. Moralische Normen gelten nicht mehr: Dem anderen dürfen Leid und Tod zugefügt werden. Mit der Entmenschlichung des Gegners geht somit – häufig unbemerkt – die eigene Menschlichkeit verloren. (3) Schuldzuschreibung (Attribuierung): Dem Gegner wird einseitig die Schuld zugeschrieben für neg. Ereignisse und Konflikte bis hin zum Krieg. (4) Doppelter Standard: Vergleichbare Handlungen werden unterschiedlich bewertet. Bsp.: Die eigene Rüstung dient der Verteidigung, die des Gegners bedeutet Kriegsvorbereitung; Opfer der eigenen Seite sind Helden, Märtyrer und «unschuldig», die der anderen Seite sind feige, Verbrecher oder aber kaum beachtenswert (z. B. «Kollateralschäden»). (5) Nullsummendenken: Für die eigene Seite wird als gut bewertet, was dem Gegner schadet, und schlecht, was ihm nutzt. Gemeinsamer Nutzen und gemeinsamer Schaden werden nicht mehr wahrgenommen. Bsp. Ost-West-Konflikt: Die zunehmende Rüstung gefährdete nicht nur den Gegner, sondern bei einem Atomkrieg auch das eigene Land und die Menschheit; zudem werden durch militärische Ausgaben zivile Bereiche (Bildung, Soziales, Umwelt) vernachlässigt. (6) Gruppendenken: politische Führer umgeben sich bei intensiven Spannungen häufig mit Personen, die ihre Meinung und Ideologie teilen; dadurch können verzerrte Bewertungen und ungünstige Problemlösungen zunehmen.

Feindbilder können große Bedeutung erhalten (Feindbild-Funktionen). Wegen dieses vielfältigen Nutzens erscheint es einfacher, Feindbilder auf-, als sie abzubauen (Feindbildabbau).

Referenzen und vertiefende Literatur

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