Giese, Fritz
(1890–1935), [HIS]. Wilhelm Oskar Fritz Giese wurde in Charlottenburg (seit 1920 Stadtteil von Berlin) geb. und studierte in Berlin, Halle und Tübingen zunächst Germanistik und Phil., dann Ps., Med. und Physik (Schulz, 1964). Er promovierte 1915 in Leipzig bei Wilhelm Wundt und Otto Klemm mit Untersuchungen über die Zöllner’sche Täuschung. Nach seinem Kriegsdienst auf einer Station für Hirnverletzte in der Landesheilanstalt Nietleben bei Halle arbeitete Giese bei Walther Poppelreuter in Köln, 1919 dann u. a. bei Walther Moede in dessen psychotechnischer Arbeitsgruppe in Charlottenburg. Noch im gleichen Jahr gründete Giese in Halle eine eigene psychotechnische Einrichtung und unterrichtete in Halle und Köthen. 1923 nahm Giese ein Angebot als Dozent für Ps. und Päd. an der TH Stuttgart an, wo er ein psychotechnisches Laboratorium aufbaute. 1924 erfolgte die Habilitation, 1929 wurde Giese in Stuttgart a.o. Professor für Ps. Giese teilte die Psychotechnik in Subjektpsychotechnik und Objektpsychotechnik ein. Während sich die Subjektpsychotechnik mit Berufskunde, Berufsberatung, Schulung und Menschenbehandlung befasse, gehöre zu Objektpsychotechnik die Arbeitsps., Rationalisierung, Energiewirtschaft und Unfallverhütung (Giese, 1925). Als einer der ersten Psychologen bezog Giese psychoanalyt. (Psychoanalyse) Erkenntnisse in die Testdiagnostik ein. Er arbeitete auch zu päd.-psychol. Themen. Zum Nationalsozialismus war Giese pos. eingestellt; dies brachte er auch in seinen letzten Arbeiten zum Ausdruck (Gallschütz, 2017).
Giese starb früh, hinterließ jedoch 16 Bücher und ca. 100 Aufsätze zu versch. Themen der Ps. sowie zu aktuellen Themen seiner Zeit, oft verfasst für ein breiteres Publikum. Das schon früh auf Anregung des Verlages entstandene kleinformatige Psychol. Wörterbuch (Giese, 1921) war nach Meinung des Autors das erste seiner Art in dt. Sprache, es solle beim Lesen psychol. Werke und Zeitschriften dienen und sich auch an Praktiker ohne gründlichere Vorbildung in der Ps. wenden. Das Wörterbuch fand Verbreitung und wurde nach dem Tod von Giese von dessen Mitarbeiter Friedrich Dorsch (1896–1987) (Friedrich Karl Georg Dorsch) fortgeführt. Das Psychol. Wörterbuch bildet daher die geschichtliche Grundlage für das heutige Dorsch Lexikon der Ps.