kontrafaktisches Denken
[engl. contrafactual thinking; lat. contra gegen, factum Tatsache], [KOG, SOZ], bez. i. R. der Simulationsheuristik (Heuristik) den Versuch, einzelne Aspekte eines Ereignisses mental umzuändern («Hätte ich…, wäre alles besser ausgegangen») und bezieht sich somit auf die Simulation alternativer Welten. Auslöser für kontrafaktisches Denken sind häufig neg. Ereignisse sowie die Knappheit, mit der ein Ergebnis verfehlt wurde (Meyers-Levy & Maheswaran, 1992). Der Einfluss des Aspekts Knappheit zeigt sich etwa darin, dass eine Person, die ihren Zug verpasst, stärkeres Bedauern zeigt, wenn sie ihn um zwei Min. verpasst, als wenn sie ihn um 20 Minuten verpasst. Epstude & Roese (2008) unterteilen kontrafaktisches Denken in drei Arten. Zum einen wird kontrafaktisches Denken nach seiner Richtung in aufwärts gerichtetes Denken (pos. gerichtete gedankliche Verbesserung der Situation) und abwärts gerichtetes Denken (neg. gerichtete gedankliche Verschlechterung der Situation) eingeteilt. Zum anderen wird danach eingeteilt, ob Personen aktiv oder inaktiv gehandelt haben. Schließlich wird unterschieden, ob der Fokus eines Ereignisses auf der eigenen Person oder bei anderen Personen liegt («Ich hätte langsamer fahren sollen» oder «Der andere Fahrer hätte besser aufpassen sollen»).
Als ein Vermittlungsmechanismus von kontrafaktischem Denken kann der Kontrasteffekt angesehen werden, der sich darin äußert, dass ein Ergebnis als verheerender wahrgenommen wird, wenn eine wünschenswertere Alternative möglich gewesen wäre, und als pos. wahrgenommen wird, wenn eine weniger wünschenswerte Alternative möglich gewesen wäre (vgl. Markman & McMullen, 2003). Der Kontrasteffekt wurde in der Studie von Medvec et al. (1995) bei Medaillengewinnern der Olympischen Spiele untersucht. Es zeigte sich, dass Silbermedaillengewinner mit ihrer Leistung weniger zufrieden waren als Bronzemedaillengewinner. Silbermedaillengewinner hatten aufwärts gerichtete kontrafaktische Gedanken und stellten sich vor, wie es wäre, die Goldmedaille gewonnen zu haben. Die Gewinner der Bronzemedaille dachten (abwärts gerichtet) eher darüber nach, aufgrund welcher Umstände sie gar keine Medaille hätten gewinnen können.