Lebensraum
(= L.) [engl. living environment/space, Lebensraum, habitat], [KOG, SOZ], der Begriff wurde 1901 vom Geografen Ratzel geprägt und in diesem Sinne von Hellpach als Naturlebensraum eines Volkes oder lebensräumliche Beziehungen zu bestimmten geografischen Verhältnissen verwendet.
Graf Dürkheim stellt den Ordnungsformen des Weltraums diejenigen des persönlichen Raumes gegenüber, wobei der persönliche L. das räumliche Erlebniszentrum mit persönlichem Sinn und Gewicht ist. Die eigene Wohnung stellt z.B. einen solchen dar.
Lewin sieht im L. eine Ganzheit ps. wirksamer Faktoren. Dieser besteht immer aus der handelnden Person (P) und ihrer Umgebung (U). Jeder Vorgang oder jedes Verhalten (V) muss daher als Funktion von beiden angesehen werden: V = f(P, U) bzw. V = f(L), da P und U gemeinsam den L. ausmachen.
Welche Dinge aus dem Universum des objektiv Vorhandenen im ps. Sinn als Umgebung bzw. als ps. wirksames Moment anzusehen sind, entscheidet sich nach folgenden Kriterien: (1) Alles, was hinsichtlich des fraglichen Verhaltens für die fragliche Person mit ihren augenblicklichen Bedürfnissen (Bedürfnis) Bedeutung hat, ist als ps. wirksam anzusehen. Es kann sich dabei prinzipiell um beliebige Dinge handeln wie um eine Hauswand, eine Stimmung oder einen Gedanken und dgl. (2) Nur was gleichzeitig mit dem fraglichen Verhalten existiert, kann im strengen Sinn als ps. wirksam oder als Moment des L. angesehen werden. Die historisch-geografische Frage «Wie ist es dazu gekommen?» ist zu trennen von der konditional-genetischen Frage «Was ist jetzt wirksam?», d.h. der Angabe des L. in einem bestimmten Augenblick. (3) Nur Konkretes, d.h. auf feststellbare Tatbestände Rückführbares kann als ein Moment des L. angesehen werden. Allgemeines wie etwa ein «Prinzip der wirkenden Seele» kann nicht konkret-ps. wirksam sein. Da der L. nicht auf anschaulich-räumliche Dinge (res extensae) beschränkt ist, sondern auch «Innerseelisches» enthält (res cogitans), handelt es sich nicht um einen anschaulichen Raum, sondern um einen mathematischen Raumbegriff als Anordnungsprinzip aller für ein bestimmtes Verhalten in einem bestimmten Augenblick ps. wirksamer Momente. Gleichzeitig ist der L. ein Feld, d.h. ein von ps. Kräften in seiner Struktur abhängiger Raum; denn jedes ps. wirksame Moment kann als Kraft angesehen werden und ihr Gesamt als dynamische Ganzheit. Mit Hilfe einer topologischen und Vektor-Ps. (topologische und Vektor-Psychologie) hat Lewin versucht, den L. und die darin enthaltenen dynamischen Faktoren mathematisch zu formulieren. Raum.