Mathematische Psychologie
[engl. mathematical psychology; gr. μάθημα (mathema) Gelerntes, Kenntnis], [DIA, FSE], als Terminus erstmals 1960 im Titel eines Sammelbandes von Luce (Developments in Mathematical Psychology). Mathematische Psychologie ist die Sammelbez. für die meth. und inhaltlich sehr heterogenen Versuche, math. Methoden bei der Behandlung psychol. Probleme einzusetzen. In HerbartsGrundlagen der Psychologie aus dem Jahre 1824 werden erstmals math. formulierte Modelle der Vorstellungsmechanik dargestellt. Herbart ging von einer kleinen Anzahl von plausibel erscheinenden Grundannahmen aus und leitete, unter Zuhilfenahme der Infinitesimalrechnung, eine große Zahl von Gesetzmäßigkeiten ab, deren empirische Gültigkeit jedoch nicht exp. überprüft wurde. Fechners Elemente der Psychophysik aus dem Jahre 1860 (Fechner, 1907) stellen den Ausgangspunkt des historisch bedeutendsten Teilgebietes der mathematischen Psychologie dar. Die ersten Ansätze der Klassischen Testtheorie und der Faktorenanalyse von Test-Interkorrelationen, beginnend mit den Arbeiten von Spearman vor dem Ersten Weltkrieg, wurden in den 1930er-Jahren von Thurstone, Gulliksen und anderen systematisch ausgebaut. Die Letzteren machten auch Versuche, «rationale» Erklärungen für Lern- und Vergessensfunktionen zu geben, indem sie aus wenigen plausibel erscheinenden Grundannahmen Gleichungen mit empirisch bestimmbaren Parametern ableiteten. Thurstone leistete auch entscheidende Beiträge zur Einstellungsmessung und zur Theorie der Skalierungsmethoden (Skalierung, Methoden der). Als in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg eine Reihe von Forschern unter Einsatz neuer math. Methoden begann, stochastische Modelle in der Lerntheorie (mathematische Lerntheorien) zu entwickeln, die Theorie der Spiele, die Nutzentheorie und die Informationstheorie auf psychol. Probleme versch. Art anzuwenden, entstand die Tendenz, solche Forscher als «math. Psychologen» zu bez. Bald nach dem Erscheinen des anfangs erwähnten Werkes wurde 1963 bis 1965 ein dreibändiges Handbook of Mathematical Psychology (Luce, Bush, Galanter) veröffentlicht, von 1965 an erschien ein Journal of Mathematical Psychology.
Die mathematische Psychologie stellt sich als die Gesamtheit der Forschungsarbeiten «math. Psychologen» auf verschiedensten Gebieten der Ps. dar, wobei allerdings meth. vielfältige Querverbindungen existieren. Hauptthemen sind die axiomatischen Grundlagen des Messens (Messtheorie), Skalentheorie (Skalierung), Theorie der Spiele, Entscheidungstheorie, Signaldetektionstheorie, Psychophysik, mathematische Lerntheorie, Informationstheorie und die stat. Analyse sequenzieller Vorgänge (Markoff-Prozess), ferner neue Entwicklungen der Testtheorie und der Sprachanalyse. Dagegen wird die Forschung auf den Gebieten der Entwicklung und Anwendung deskriptiver und induktiver Verfahren der Statistik, welche die Versuchsplanung und die Auswertungsmethoden in der exp. Ps. (experimentelle Psychologie) wesentlich beeinflussen, gewöhnlich nicht der mathematischen Psychologie zugerechnet.