Medizinische Psychologie
[engl. medical psychology; lat. medicare heilen, ars medicinae Heilkunde], [GES], s. auch Gebietsüberblick «Gesundheitspsychologie und Medizinische Psychologie». Die Medizinische Psychologie ist ein interdisziplinäres Fach, das psychol. Kenntnisse, die für die Krankenversorgung i. w. S. von Bedeutung sind, in der Forschung erweitert und vertieft, in der Lehre vermittelt und in der Krankenversorgung anwendet. Ihr Fokus ist der körperlich erkrankte Mensch und i. R. der Gesundheitsförderung auch der körperlich Gesunde, der Gesundheitsrisken unterliegt (Gesundheit, Gesundheit, Modelle der, Krankheitsmodelle).
Als Fachgebiet ist die Medizinische Psychologie in erster Linie über die Ärztliche Approbationsordnung und damit über die Lehre definiert. Seit 1970 sieht die Approbationsordnung für Ärzte die Medizinische Psychologie als Ausbildungsfach zwingend vor. Sie ist zugleich Prüfungsfach im 1. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (Physikum) und gehört mit der Anatomie, der Biochemie und der Physiologie zu den vier großen dort geprüften Fächern. Die Medizinische Psychologie wird gemeinsam mit der Medizinischen Soziologie gelehrt und geprüft. Gegenstand der Prüfung in diesen Fächern sind nach der Approbationsordnung: psychobiol. Grundlagen des Verhaltens und Erlebens; Wahrnehmung, Lernen, Emotionen, Motivation, Psychomotorik; Persönlichkeit, Entwicklung, Sozialisation; soziales Verhalten, Einstellungen, Interaktion und Kommunikation, Rollenbeziehungen; soziale Schichtung, Bevölkerungsstruktur, Morbiditätsstruktur; Strukturen des Gesundheitswesens; Grundlagen ps. und soziologischer Methodik. Gemäß ihrer Anlage als Ausbildungsfach für angehende Ärzte ist die Medizinische Psychologie ein genuin interdisziplinäres Fach, in welchem ps. und med. Wissen integriert wird. In ihren Zuständigkeitsbereich fällt nicht nur die Vermittlung des prüfungsrelevanten Wissens, sondern auch die Vermittlung von ps. Fertigkeiten, die im med. Alltag benötigt werden. Hierfür sieht die Approbationsordnung Pflichtveranstaltungen in Seminar- und Kursform vor. Bei der Vermittlung der Fertigkeiten steht dabei die Etablierung einer tragfähigen Arzt-Pat.-Beziehung (Arzt-Patient-Interaktion) und das Training ärztlicher Gesprächsführung im Vordergrund. Auch wenn die Medizinische Psychologie in der Approbationsordnung in erster Linie als Fach der vorklinischen Ausbildung vorgesehen ist, reichen die Ausbildungsaktivitäten i. d. R. weit in die Klinik hinein, bspw. im Zuge der interdisziplinären Zusammenarbeit bei der Etablierung von longitudinalen Curricula zur Arzt-Pat.-Kommunikation oder durch Beteiligung an Querschnittbereichen der klin. Ausbildung, z. B. Prävention und Gesundheitsförderung, Medizin des Alterns und des alten Menschen, Palliativmedizin, Schmerzmedizin.
Im Fokus medizinpsychol. Forschung und Lehre steht der Mensch im Medizinbetrieb. Sie konzentriert sich demnach auf Pat., deren Angehörige und das medizinische Personal. Pat.seitig fokussiert die Forschung die wechselseitigen Beziehungen zw. körperlichen Erkrankungen und medizinischen Behandlung einerseits sowie dem psych. Wohlergehen (Wohlbefinden) und dem Verhalten und Erleben der Pat. anderseits. Hier ergibt sich ein breites Forschungsspektrum, das u. a. Themenbereiche wie Gesundheitsverhaltens- und Risikoverhaltensforschung, Prävention, Rehabilitation und Gesundheitsförderung einschließt, psychobiol. (Psychobiologie) und psychosomatische (Psychosomatik) Zusammenhänge umfasst sowie psychoonkologische Fragestellungen und solche der Versorgungsforschung analysiert. Dabei erfolgt die Forschung i. d. R. in Kooperation mit den klin. Fächern in der Medizin. Auch wenn die Medizinische Psychologie zunächst ein Fach im vorklinischen Unterricht ist, sind Medizinpsychologen auch klin. in Konsiliar- und Liaisondiensten (Konsiliar- und Liaisonarbeit) engagiert. Entsprechend bestehen hier auch Forschungsschwerpunkte im Kontext klin.-psychol. Tätigkeiten, die bspw. psychoth. Unterstützung (Psychotherapie) bei der Krankheitsverarbeitung (z. B. Psychoonkologie, chronische Schmerzen) betreffen oder umgekehrt die Behandlung psych. Störungen, die auf die körperliche Gesundheit ausstrahlen (z. B. Angststörungen, Depression, Sucht). Im Fokus des Interesses steht dabei i. d. R. die Interaktion zw. medizinischen und psychol. Faktoren. In den klin. Tätigkeitsbereichen weist die Medizinische Psychologie enge Bezüge zur Psychosomatik auf. Psychol. Forschung und Lehre geht aber über das Interesse am Pat. und dessen Angehörigen hinaus und befasst sich auch mit dem medizinischen Personal. Hier interessieren einerseits Aspekte der psych. Gesundheit in helfenden Berufen und andererseits psychol. Rahmenbedingungen auf der Seite des Personals, die die Entwicklung einer erfolgreichen Arzt-Pat.-Beziehung begünstigen.