Neisser, Ulric
(1928−2012), [HIS, KOG], Ulric Neisser gab mit dem Titel seines Buches Cognitive Psychology (Neisser, 1967, dt. 1974) einer ganzen Richtung der Ps. ihren Namen (Kognitive, kognitivistische Psychologie, Kognitionspsychologie, s. Gebietsüberblick «Kognitive Psychologie»). Neisser wird daher gelegentlich in den USA auch als Father of Cognitive Psychologie bez. Neisser wurde als Ulrich Neisser in Kiel geb. Der Vater war jüdischer Herkunft, sodass die Familie bereits 1933 in die USA emigrierte. Neisser änderte in den USA seinen Vornamen entspr. der amerik. Aussprache. Er studierte an der Harvard University Physik, wandte sich dann der Ps. zu, u. a. bei George A. Miller. Neisser fragte sich, was bei Wahrnehmung und Wissenserwerb im Gehirn vorgeht. Fragen dieser Art hatten sich Behavioristen (Behaviorismus) kaum gestellt. Neisser fand, dass während des Wahrnehmungsvorgangs nur wenige Dinge beachtet werden. Die meisten Dinge werden in Unaufmerksamkeitsblindheit [engl. inattentional blindness] ignoriert. Neisser untersuchte später u. a. Blitzlichterinnerung [engl. flashbulb memory], also die intensive Erinnerung an ein besonderes Ereignis wie den Mord an Präsident Kennedy. Hatte man bisher vermutet, dass solche Erinnerungen sich wegen ihrer Bedeutung und Emotionalität in das Gedächtnis «einbrennen», war Neisser hier der Auffassung, dass diese Erinnerungen z. T. Ergebnisse von Rekonstruktionen sind, da Personen sich häufiger an diese Ereignisse erinnern, wobei auch Veränderungen möglich sind. Zu den späteren Arbeiten von Neisser zählt seine Leitung einer Arbeitsgruppe, die sich in einer Phase heftiger Auseinandersetzungen zur Anlage-Umwelt-Diskussion von Intelligenz mit Intelligenzmessungen befasste.