Nerv
[engl. nerve; lat. nervus, gr. νεῦρον (neuron)], [PHA], strangartiges Gebilde zur Reiz- und Impulsleitung bei höheren Organismen. Nerven bez. ein Bündel von mehr oder weniger Hunderten oder Tsd. von Nervenfasern (Nervenfibrillen). Eine Nervenfaser besteht aus dem lang gestreckten Axon eines Neurons mitsamt der es scheidenartig umgebenden Schwann’schen-Zelle. Die Nerven sind außerhalb des Zentralnervensystems durch Bindegewebe in unterschiedlicher Anzahl zu Bündeln zus.gefasste Nervenfasern. Das gesamte Nervengewebe besteht aus Nerven-zellen und einem Stützgewebe (Neuroglia). Die einzelne Nervenzelle (Ganglienzelle oder besser heute: Neuron) hat einen unregelmäßig sternförmigen Zellkörper mit verästelten kurzen Fortsätzen (Dendriten) und einen längeren, zunächst unverästelten Fortsatz, den Neuriten (Axon). Diese aus einer Nervenzelle und ihren Fortsätzen bestehende Einheit des Nervensystems ist ein Neuron. Durch die dendritische Zone, die die Rezeptormembran des Neurons darstellt, fließen der Nervenzelle Erregungen zu (Input-Region). Im Neuriten werden die Erregungen von der Nervenzelle (nutritive Zone, Perikarion) zu anderen Nervenzellen, Muskel- oder Drüsenzellen geleitet (Output-Region). Die Übertragung der Erregung an diese erfolgt über bes. Kontaktverbindungen, die Synapsen. Neurofibrillen heißen die feinen Strukturen, die sich im gesamten Cytoplasma finden und die die Neuriten sowie die Dendriten durchziehen. Bei den zerebrospinalen markhaltigen Nervenfasern wird das Axon kurz nach seinem Ursprung aus dem Zellkörper von einer Myelinscheide (Markscheide) umgeben und diese wiederum von einer Schwann’schen Scheide. Die Myelinscheide wirkt als schlechter Leiter elektrisch isolierend. Sie umhüllt das Axon mit Ausnahme des Endes und der in etwa 1-mm-Abständen gelegenen periodischen Einschnürungen (Ranvier’sche Schnürringe, Ranvier’sche Einschnürung). Die sympathischen marklosen Fasern haben außer einer Schwann’schen Scheide keine oder nur eine ganz zarte Markscheide. Der Neurit, der beträchtliche Längen erreichen kann, bildet mit seinen Umhüllungen (Scheiden) die Nervenfaser. Die Nervenzellen liegen v. a. im Gehirn und Rückenmark. Von dort gehen alle Nerven aus, die willkürliche Bewegungen veranlassen. Unterschieden wird bei den zerebrospinalen Nerven zw. 12 Paar vom Gehirn ausgehenden Gehirnnerven und den 31 Paar (beim Menschen) Rückenmarks- oder Spinalnerven. Empfindungsnerven (sensorische, sensible Nerven) heißen die von den Sinnesorganen zum Gehirn oder Rückenmark führenden Nerven (afferente Bahnen; Afferenz); Bewegungsnerven (motorische Nerven) die vom Gehirn oder Rückenmark zu den willkürlichen Skelettmuskeln ziehenden Nerven (efferente Bahnen, Efferenz). Die größeren Nervenstränge des Körpers enthalten vielfach beide Arten (gemischte Nerven). Nervenzellen haben eine niedrige Erregbarkeitsschwelle. Der wirksame Reiz kann elektrisch, chemisch oder mechanisch sein. Die durch einen solchen Reiz ausgelöste physikochemische Änderung führt im Rezeptor zur Ausbildung eines Generatorpotenzials. Dies erzeugt zum Axon hin ein Aktionspotenzial, das normalerweise entlang des Axons bis zu dessen Ende propagiert (geleitet) wird. Die nervöse Leitung als Aktionspotenzial ist dabei ein aktiver, sich selbst propagierender, energieverbrauchender Vorgang, der den Impuls mit konstanter Amplitude und Geschwindigkeit (diese liegt zw. 0,1 und 135 m/s und ist umso größer, je dicker und markhaltiger die Nervenfaser ist) fortleitet. Im Ruhezustand ist die Nervenmembran im Inneren gegenüber außen elektrisch neg. geladen. Dieses Ruhepotenzial beträgt bei den meisten Neuronen etwa minus 70 mV. Es wird durch aktiven Transport best. Teilchen durch die Membran entgegen dem bestehenden Konzentrationsgefälle aufrechterhalten. Es werden Natrium+-Ionen aus der Zelle in den Außenraum transportiert, in dem sie im Neutralzustand bereits eine rund 10-mal höhere Konzentration besitzen, und es werden Kalium-5+-Ionen ins Zellinnere transportiert, wo die Konzentration rund 200-mal höher ist als außen. Dieser energieverbrauchende Mechanismus wird als Natrium-Kalium-Pumpe bez. Im Zustand der Erregung, oberhalb eines kritischen Depolarisationswertes (Zünd- oder Membranschwelle), erfolgt eine schlagartige Na-Permeabilitätssteigerung der Membran auf das rund 500-Fache, durch die das Zellinnere kurzzeitig pos. wird (rund +30 mV) durch den Einstrom von Natriumionen in die Faser (Depolarisation). Durch den unmittelbar darauffolg. Austritt von Kaliumionen aus der Faser kommt es zur Repolarisation der Zelle und damit zum Abschluss der Spannungsspitze, deren Gesamtverlauf auch als Aktionspotential bez. wird. Seine Amplitude ist für dieselbe Nervenfaser stets gleich hoch (Alles-oder-nichts-Gesetz) und pflanzt sich über das gesamte Axon fort. Bei den markhaltigen Nerven beschränkt sich dieser Natrium-Kalium-Austausch auf die Ranvier'schen Schnürringe. Der Aktionsstrom verläuft hier sprunghaft und damit schneller von einem Schnürring zum anderen (saltatorische Erregungsleitung). Nervendegeneration tritt ein, wenn ein Nerv verletzt wird. Das vom Zellkörper isolierte Stück verliert seine Erregbarkeit und zerfällt allmählich. Jedoch kann durch Nervenregeneration von der Nervenzelle aus die Faser (außer im Gehirn und Rückenmark) wieder in die alten Bahnen hineinwachsen.