Neuroethik
[engl. neuroethics; gr. νεῦρον (neuron) Nerv], [BIO, PHI], ist ein relativ neues Themengebiet im Schnittpunkt der sich entwickelnden klin., kogn. und exp. Neurowiss. einerseits und Teilgebieten der Philosophie und Ps. andererseits. (1) Zum einen ist Neuroethik als Teilgebiet der Ethik eine Disziplin der Philosophie, welche die Begründbarkeit normativer Regeln, Konventionen und Gesetze reflektiert, die mit neurowiss. Erkenntnissen und Technologien in Verbindung stehen (Forschungsethik). Ziel der Bewertungen der Neuroethik ist es, einen verantwortungsvollen Umgang mit neurowiss. Forschungsmethoden und -ergebnissen argumentativ abzusichern, sodass z. B. der Gesetzgeber oder Ethikkommissionen in die Lage versetzt werden, begründete Entscheidungen zu treffen. Ethische Probleme können sich aus den neuen Anwendungsfeldern der funktionellen Bildgebung (bildgebende Verfahren), der Psychopharmakologie, der Neurochirurgie bzw. -technologie (z. B. Implantaten von Mikroelektroden oder Stammzellen, Gehirn-Maschine-Schnittstellen) ergeben. Typische Fragen zu diesem Bereich sind: Welche invasiven Maßnahmen sind verantwortbar, um Krankheiten zu diagnostizieren, zu lindern oder zu heilen? Unter welchen Umständen ist der Einsatz psychoaktiver Substanzen mit dem Ziel der Verbesserung psych. Funktionen statthaft?
(2) Eine zweite Perspektive der Neuroethik sieht neurowiss. Ergebnisse als Explanans und das ethisch-moralische Verhalten und Empfinden als Explanandum. Die Beziehungen mentaler und physikal. Phänomene und der zusätzliche Erkenntniswert neuronaler Organisationsprinzipien sind bereits seit Langem Gegenstand einer Arbeitsrichtung der Philosophie (philosophy of mind). Aus empirischer Sicht befassen sich die Neurowiss. (hierbei insbes. die Neuropsychologie) zunehmend mit der funktionell-neuroanatomischen Organisation sozialer Kognitionen einschließlich des ethisch-moralischen Verhaltens. Ebenso sind auch das abweichende Verhalten und dessen neurokriminologische Korrelate ein Teilgebiet der Neuroethik.