Nichtsesshaftigkeit
[engl. sedentariness Seßhaftigkeit], pragmatischer Erklärungsbegriff der Sozialverwaltung für die Lebensform von «Personen, die ohne gesicherte wirtschaftliche Grundlage umherziehen oder die sich zur Vorbereitung auf eine Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft oder zur dauernden persönlichen Betreuung in einer Einrichtung der Nichtsesshaftenhilfe aufhalten» (§ 72, BSHG). Sozialwiss. ist Nichtsesshaftigkeit die allg. Kennzeichnung des alle Bürger einer Gemeinde betreffenden sozialen Problems alleinstehender, erwachsener Mitbürger, die von Armut bedroht oder aber von Hilfeverweigerung und Nichtbeseitigung ihrer Armut betroffen sind. Fremdhilfeversuche, eine spezialisierte «Nichtsesshaftenhilfe» zu entwickeln, neben den normalen Hilfen im kommunalen Infrastrukturbereich von Arbeit, Wohnen, Gesundheit, Bildung und Sozialhilfe, tragen damit zur Aufrechterhaltung von sozialer Ungerechtigkeit in der Gesellschaft bei. Psychosoziale Folge von Nichtsesshaftigkeit ist, dass die alleinstehenden Armen von der Teilnahme am wirtschaftlichen, soziokulturellen und politischen Leben in der Gesellschaft ausgeschlossen sind. Nichtsesshaftigkeit verweist auf die Strukturdefizite in der Gerechtigkeitsstruktur gesellschaftlicher Interaktion zw. armen und etablierten Sozialbürgern: Nichtvorhandensein bedürfnisgerechter Sozialleistungen für diese Zielgruppe einerseits und sozialstaatlicher Anspruch auf diese Sozialleistungen andererseits.