Organisationsentwicklung

 

[engl. organizational development, OD], [AO], ist geplanter psychologisch orientierter Wandel einer Organisation (organisationale Veränderung). Der Begriff Veränderungsmanagement bezieht sich auf die praktische Organisation der geplanten organisationalen Veränderungen. Im Unterschied zur Arbeitsgestaltung an einzelnen Arbeitsplätzen oder Veränderung der Gruppenarbeit in einem Teilbereich geht es bei der Organisationsentwicklung i. d. R. um die Veränderung größerer Einheiten der Organisation (Abteilungen, Bereiche oder gesamte Organisation), insbes. der Führung und Kooperation, Lernfähigkeit (lernende Organisationen), Flexibilität und Innovationen in Organisationen. Dadurch sollen auch wirtschaftliche Verbesserungen ermöglicht werden (Nerdinger, 2019). 

Der erste Workshop zum geplanten organisationalen Wandel wurde auf Initiative der Lewin-Schüler Richard Beckhard und Edgar H. Schein (Schein, 1995) Mitte der 1960er-Jahre durchgeführt. In der Folge entstanden die bekannten humanistischen Konzepte zur partizipativen Organisationsentwicklung und verbreiteten sich in einer Zeit wirtschaftlichen Wachstums und optimistischer Vorstellungen zur Veränderbarkeit der Gesellschaft und ihrer Organisation in den USA unter Präsident Kennedy. In den 1970er-Jahren entwickelten die Protagonisten jedoch, wie Tichy & DeRose (2002) schildern, starke Selbstzweifel an der Anwendbarkeit des Konzepts, die als tief greifende Identitätskrise der humanistisch orientierten Organisationsentwicklung gesehen wird. Sie erklären diese Krise als Folge allg. wirtschaftlicher Schwierigkeiten und des zunehmenden gesellschaftlichen Pessimismus während der Nixon-Ära. Historisch interessant ist, dass die Überwindung dieser Krise nach 1980 dem bekannten Hardliner Jack Welch (damals Chairman von General Electric) zu verdanken ist. Er holte sich den Organisationsentwicklungs-Experten Noel Tichy (Michigan University) für eine innovative Weiterbildung der gesamten Führung seines Weltunternehmens zur Umsetzung der geplanten grundlegenden organisationalen Veränderungen. Tichy hat dazu auf Organisationsentwicklungs-Konzepten Methoden zum action learning (Aus- und Fortbildung) eingesetzt. Die erfolgreichen Seminare wurden schneeballartig verbreitet und auch von anderen Unternehmen und Beratern mit konventioneller Ausrichtung übernommen. Seither wird Organisationsentwicklung nicht mehr nur mit humanistischen Konzepten verbunden, sondern wie oben als fachlicher Oberbegriff verwendet.

Unterschieden wird zw. personalen und strukturellen Ansätzen. Die erste Gruppe umfasst alle Maßnahmen der Aus- und Fortbildung, die z. B. auf eine Verbesserung der fachlichen Qualifikationen (Qualifikation, berufliche) und sozialen Kompetenzen abzielen oder auf Veränderungen der Kommunikation und Gruppendynamik. Die zweite Gruppe bezieht sich auf Veränderung der Arbeitsstrukturen (Arbeitsgestaltung, Gruppenarbeit) und technologische Veränderungen (Technologie).

Interventionsmaßnahmen zur Organisationsentwicklung werden i. d. R. in einem längerfristigen, oft mehrjährigen Prozess von einem interdisziplinär zus.gesetzten, häufig externen Team von Organisationsberatern durchgeführt (in den historischen ursprünglichen Anfängen wurden sie als Veränderungsprozesse moderierende Change Agents gesehen). Je nach Problemstellung werden versch. Aktivitäten durchgeführt, wie Organisationsanalysen, Maßnahmen zur Aus- und Fortbildung der Organisationsmitglieder, Maßnahmen zur Veränderung der Arbeitsgestaltung und Einführung von Gruppenarbeit, Selbsterfahrungsgruppen (gruppendynamisches Laboratorium), Qualitätszirkel oder angeleitete Problemlösegruppen und Teams aus der Organisation zur Entwicklung und Umsetzung von Veränderungsvorschlägen.

Bei der Survey-Feedback-Methode werden die Ergebnisse einer partizipativ gestalteten Organisationsanalyse den Mitgliedern der Organisation präsentiert, gemeinsam diskutiert und als Grundlage zur gemeinsamen Entscheidung über geplante Änderungen herangezogen. Kurt Lewin und seine Schüler haben diese Methode und typische Phasenkonzepte der Organisationsentwicklung eingeführt.

In Anlehnung an Lewin werden drei Hauptphasen der Organisationsentwicklung unterschieden: (1) Unfreezing («Auftauen» bzw. Öffnen der Organisationsmitglieder für erforderliche Veränderungen; (a) Organisationsberater und -mitglieder explorieren das Problem gemeinsam. (b) Entwicklung und Abschluss eines gemeinsamen Kontrakts über die Organisationsentwicklungs-Maßnahmen. (c) Organisationsanalyse und Zielklärung. (d) Planung der Veränderungsschritte und Vorbereitung auf Änderungswiderstände.), (2) Change (Veränderung, bzw. Durchführung der geplanten Änderungen) und (3) Refreezing («wieder einfrieren») bzw. Stabilisierung der Veränderungen zur Vermeidung von Rückfällen in den vorherigen Zustand.

Die einzelnen Schritte werden nicht strikt nacheinander durchgeführt, sondern insbes. bei neuen Erkenntnissen oder nach Konsultationen mit den Organisationsmitgliedern teilweise wiederholt durchlaufen (zyklisch bei erneuten Organisationsanalysen beginnend). Das populäre Phasenmodell wird heute kritischer gesehen, weil sich die Phasen kaum objektivierbar abgrenzen lassen und Veränderungsprozesse in versch. Bereichen der Organisation ungleichzeitig oder in komplexen Dynamiken ablaufen können (Greif et al., 2004). Zumindest die sog. revolutionären Veränderungen in Organisation, die etwa in Krisen chaotisch ablaufen können, lassen sich mit dem Modell nicht angemessen beschreiben. Müller et al. (2018) führen weitere Phasenmodelle auf, die differenzierter sind, aber ebenfalls nicht auf wissenschaftlich nachweisbaren Phasen beruhen, sondern eher pragmatisch zur Planung der Veränderungen verwendet werden können.

Für die Akzeptanz und den Erfolg von Organisationsentwicklungs-Maßnahmen ist eine umfassende Information, Beteiligung und Abstimmung des Projektes aller Hierarchieebenen und Bereiche (Unternehmensleitung und Arbeitnehmervertretung), im Ideal aller beteiligten Organisationsmitglieder, erforderlich. Zur abschließenden Evaluation der Organisationsentwicklung werden Methoden der Organisationsanalyse herangezogen.

Referenzen und vertiefende Literatur

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