Partizipative Entscheidungsfindung (PEF)
[lat. participare an etw. teilhaben], [GES], dt. Übersetzung bzw. Adaption des Modells des sog. Shared Decision Making (SDM), das ursprünglich im angloamerik. Gesundheitswesen entstanden ist. Als Grundlage wird eine partnerschaftliche Arzt-Pat.-Beziehung (Arzt-Patient-Interaktion) formuliert, die durch einen gemeinsamen und gleichberechtigten Entscheidungsfindungsprozess (Entscheiden) bei der Auswahl von für den Pat. möglichst optimal passenden diagn., therap. oder weiteren gesundheitsbezogenen Maßnahmen gekennzeichnet ist. Sie folgt einem klar erkennbaren Ablauf mit aufeinander aufbauenden Handlungsschritten, wobei Informationen in mind. zwei Richtungen fließen. Ärzte stellen notwendige med. Informationen bereit, Pat. berichten von ihren Präferenzen und persönlichen Lebensumständen (Werte, Bedürfnisse, Emotionen; Ziele, gesundheitsbezogene), die für die gesundheitsbezogene Entscheidung von Relevanz sein können. Das Konzept der PEF nimmt eine Mittelstellung zw. dem sog. paternalistischen Entscheidungsmodell und dem Informationsmodell ein. Im paternalistischen Modell befindet sich der Patient in einer weitgehend passiven Rolle und ist von der ärztlichen Expertise abhängig. Beim Informationsmodell besteht die Hauptverantwortlichkeit darin, dem Pat. auf möglichst neutrale Weise alle wichtigen Informationen zur Behandlung mitzuteilen, damit dieser eine informierte Entscheidung treffen kann. Diese Art der patientenzentrierten Kommunikation bzw. das Gesprächs- und Handlungsmodell der PEF stellen die Basis für den sog. informed consent und die gemeinsame Entscheidung hinsichtlich gesundheitsbezogener Maßnahmen dar. In weiter gefassten Beschreibungen des PEF-Modells werden in der Gesundheitsversorgung nicht nur Ärzte und Pat. adressiert, sondern weitere Personengruppen berücksichtigt (z. B. Pflegekräfte, Psychologen, Angehörige), die eine wichtige Rolle im Prozess der indiv. Entscheidungsfindung spielen können. Heute möchten viele Pat. an med. Entscheidungen beteiligt werden und auch die Politik fordert die stärkere Einbeziehung und Mitbestimmung der Pat. im Gesundheitswesen (Patientenorientierung). PEF eignet sich v. a. bei Gesundheitsentscheidungen (z. B. chronische Erkrankungen), bei denen mehrere gleichwertige, im besten Fall evidenzbasierte Optionen (Evidenzbasierung) zur Wahl stehen und bei denen die Berücksichtigung der Pat.präferenzen für eine Entscheidung ausschlaggebend sind (präferenzsensitive Entscheidungen). I. d. R. werden hierzu Vor- und Nachteile bzw. Nutzen und Risiken der unterschiedlichen Behandlungsoptionen in Form von Wahrscheinlichkeiten gegeneinander abgewogen (sog. Risikokommunikation). Zur Unterstützung des Entscheidungsprozesses eignen sich med. Entscheidungshilfen (decision aids), die evidenzbasierte Interventionen zur Unterstützung einer abwägenden Entscheidung zw. zwei oder mehreren Behandlungsoptionen darstellen. Diese können dem Pat. text-, video- oder webbasiert entweder direkt in oder auch außerhalb der Konsultation dargeboten werden. Darüber hinaus können spezif. Aus- und Weiterbildungsprogramme für Ärzte eingesetzt werden, um eine adäquates und patientenzentriertes Gesprächs- und Kommunikationsverhalten für PEF zu realisieren. Der Einsatz von Entscheidungshilfen ist empirisch sehr solide untersucht, internat. verfügbare Trainingsprogramme unterliegen einer fortlaufenden Evaluation, die noch nicht abgeschlossen ist. Die Umsetzung des PEF-Modells in der Gesundheitsversorgung hat internat. trotz bestehender Barrieren (z. B. Zeitknappheit, Pat.charakteristika, Qualität von Entscheidungshilfen) große Fortschritte gemacht. PEF gilt als vielversprechender Ansatz in Richtung eines patientenzentrierten und evidenzbasierten Gesundheitswesens, von dem pos. Impulse hinsichtlich einer Qualitätsverbesserung und Kostenreduktion in der Versorgung (Versorgungsforschung) erwartet werden.