Person-Situation Debatte
[engl. person-situation debate], [PER, SOZ], Debatte darum, ob eher stabile Personenvariablen (Eigenschaften; Disposition; Persönlichkeit; Persönlichkeitsmerkmal; Trait) oder Situationsvariablen Verhalten (inkl. Erleben) erklären und vorhersagen. Sie gilt heute als beendet (Übersicht in Fleeson & Noftle, 2008). In der US-amerik. Ps. sind Persönlichkeits- und Sozialps. zu einer Disziplin zus.geschlossen (personality and social psychology). Sie widmen sich aber unterschiedlichen Determinanten des Verhaltens: Persönlichkeit vs. Situation. I. R. dieses Spannungsfelds wurden vier vermeintliche Problembereiche der Persönlichkeitsps. identifiziert (vgl. Situationismus): (1) Verhalten sei nicht (über Situationen hinweg) konsistent, was das Konzept eines stabilen Traits als Regelmäßigkeiten im Verhalten sinnlos macht. Personen sind aber auf vielfache Weise bemerkenswert konsistent in ihrem Verhalten (Konsistenz des Verhaltens). (2) Traits sagten Verhalten nur unzureichend vorher. Dieser Vorwurf ist unberechtigt, da für sehr viele Trait-Instrumente hohe kriteriale Validität vorliegt und Traits wichtige persönliche, berufliche, soziale und gesellschaftliche Kriterien vorhersagen (Ozer & Benet-Martínez, 2006). (3) Situationsvariablen erklärten Verhalten besser als Traits. Dies ist empirisch nicht haltbar, da beide in ähnlichem Maße Verhalten erklären (Kenrick & Funder, 1988). (4) Traits und Persönlichkeit seien nutzlose Konstrukte. Als Konsequenz aus den Punkten 1−3 wurde gefolgert, dass es keine stabilen Personenvariablen gäbe (oder man sich ihnen nicht wiss. verschreiben müsse). Es wurde jedoch konzeptuell und empirisch mehrfach und überzeugend gezeigt, dass Traits und Persönlichkeit existieren sowie bedeutungsvoll und wichtig sind (Kenrick & Funder, 1988). Die Person-Situation Debatte ist also nicht homogen und aus versch. Problembereichen aufgebaut. Sie verstärkte sich mit Mischels (1968) Buch Personality and Assessment, das die ersten beiden Bereiche in Angriff nahm. Als Reaktion darauf spitzten sich die letzten beiden Bereiche zu, sodass die Persönlichkeitsps. sich zumindest im US-amerik. Raum zunächst zurückbildete und die Sozialps. den Vorrang übernahm.
Allerdings bereicherte die Person-Situation Debatte die Persönlichkeitsps. auch. Erstens war sie gezwungen, sich stärker mit dem Konzept eines trait auseinanderzusetzen. Die heutige Nachwirkung ist, dass Traits nicht nur struktur-orientiert (Welche grundlegenden Dimensionen gibt es? Faktorenanalyse), sondern auch prozess-orientiert (Welche bio-physiol., kogn., affektiven, motivationalen und regulatorischen Prozesse liegen ihnen zugrunde?) konzeptualisiert werden. Gerade prozess-orientierte Perspektiven auf Traits betonen deren situationale Gebundenheit (vgl. Kontextualisierung von Persönlichkeitstests) als dynamische Variablen, die eine Wechselwirkung zw. Person und Umwelt darstellen. Zweitens entstand als Reaktion auf einen zu einseitigen Situationismus der Interaktionismus. Zunächst betonte letzterer, dass neben den Haupteffekten von Person/Persönlichkeit und Situation/Umwelt auch deren Interaktion stat. betrachtet werden müsste. Heute wird diese Forderung eher konzeptuell verstanden: Personen können (gemäß ihrer Persönlichkeit) gewisse Situationen/Umwelten mental konstruieren, selektieren (aufsuchen vs. meiden), evozieren, verändern oder erschaffen. Insofern sind Persönlichkeit und Situationen (a) nicht unkorreliert oder unabhängig voneinander, (b) komplex miteinander verwoben und (c) ähnlich stark an der Erklärung und Vorhersage von Verhalten beteiligt.