Pharmakopsychologie

 

[engl. pharmacopsychology; gr. φάρμακον (pharmakon) Heilmittel, Gift], [PHA], s. Gebietsüberblick «Psychopharmakologie»; Gebiet, das sich mit den psych. und mit diesen korrespondierenden physiol. und biochemischen Wirkungen von chemischen Substanzen auf gesunde Menschen und Tiere unter psychol. Perspektive befasst. Von versch. Autoren wird sie als Bereich der Psychopharmakologie angesehen, jenem Teilgebiet der Pharmakologie, das sich mit psych. wirksamen (psychotropen) Stoffen, bes. Psychopharmaka beschäftigt. Als Teilgebiet der Ps. kann sie als Teildisziplin der Physiol. Ps., der Angewandten Ps. und als Forschungsmethode aller Teilbereiche gesehen werden. Als Begründer der Pharmakopsychologie gilt der Psychiater Kraepelin (1856–1926), der gegen Ende des 19. Jhd. viele Untersuchungen zur Wirkung von Coffein, AlkoholAnalgetika und Hypnotika auf serielle Rechenleistungen, Aufmerksamkeits- und Wahrnehmungsleistungen durchführte oder anregte. Weitere Untersuchungen der ersten Jhd.hälfte (20. Jhd.) wurden mit Rauschmitteln, bes. Meskalin, durchgeführt. Pharmakopsychologie kann im Wesentlichen in Hinblick auf vier Aufgabenbereiche betrieben werden: (1) als Methode zur Ergänzung von Befunden der Ps., (2) als Teilbereich der Physiologie und Chemischen Ps., (3) als Teilbereich der Angewandten Ps. (Arbeit, Verkehr, Umwelt, Klinik), (4) als Grundlagendisziplin für med. und biol. Disziplinen (Neurops., Psychiatrie, Pharmakologie).

Ad (1): Untersuchungen mit psychotropen Substanzen können als Forschungswerkzeuge der Ps. angesehen werden, indem sie als eine Klasse von Stimuli zur Variation von psych. Vorgängen fungieren. Fragestellungen sind dabei u. a.: Variierbarkeit psych. Vorgänge im Bereich Emotion, Motivation, Sozialverhalten und Leistung (Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Informationsverarbeitung, Lernen und Behalten). Bes. eingehend untersuchte Bereiche sind Leistungen, etwa Informationsverarbeitung einschließlich Reaktionszeiten, Zeitwahrnehmung, Gedächtnis und Emotionen (z. B. Beeinflussbarkeit spezif. Emotionen wie Angst und Ärger).

Ad (2): Als Teilgebiet der Physiol. Ps. betreibt Pharmakopsychologie Grundlagenforschung mit der Zielsetzung, durch pharmakol. induzierte Verhaltensänderungen Aufschlüsse über die Integration von physiol., biochemischen und psych. Vorgängen zu gewinnen. Die Verabreichung von Substanzen ergänzt andere Techniken zur Anregung und Hemmung somatischer Systeme (z. B. elektrische Reizung, Läsionen). Ihr Vorteil ist die Möglichkeit, relativ schnell reversible somatische Veränderungen zu erzielen. Die größte Bedeutung pharmakopsychol. Untersuchungen liegt in der gezielten Manipulation körpereigener Substanzen durch psychotrope Stoffe und der Beobachtung entspr. Verhaltensänderungen. Dabei sind jene Stoffe als Forschungswerkzeuge am bedeutsamsten, über deren biochemische Wirkungsmechanismen präzise Informationen vorliegen. Wichtige Erkenntnisse wurden u. a. zur Beziehung zw. Aktiviertheit, Emotion und Befinden, Aggression, Hunger, Lernen, Gedächtnis, Zeitwahrnehmung und Transmittern (bes. Noradrenalin, Dopamin, Serotonin, Acetylcholin) und Neurohormonen/-modulatoren gewonnen. Soweit direkte Zus.hänge zw. den beeinflussten biochemischen Systemen und Verhalten untersucht werden, bezieht sich die Forschung zum großen Teil aber auf Tiere. Zudem kommen beim Menschen vor allem bildgebende Verfahren zum Einsatz. Pharmaka können außer zur Variation biochemischer Systeme auch eingesetzt werden, wenn sie best. Änderungen der physiol. Aktiviertheit induzieren, die für das jew. Konstrukt bedeutsam sind (etwa zentralnervöse Erregung als Voraussetzung für die Konsolidierung).

Ad (3): Als Teilgebiet der angewandten Ps. hat sie praktische Aufgaben, bes. in der Arbeitspsychologie und Verkehrspsychologie (Beurteilung der Beeinträchtigung der Leistungsbereitschaft und Fahrtüchtigkeit durch Alkohol, Rauschdrogen und Arzneimittel, bes. Schlafmittel und Tranquillanzien) und in der Klin. Ps. (Abhängigkeit und Missbrauch, Pharmakotherapiekontrollen, Prognose therap. Effizienz von Psychopharmaka und Erarbeitung von Prüfmodellen).

Ad (4): Als Grundlagendisziplin für Med. und Biologie leistet die Pharmakopsychologie Beiträge u. a. zu Wirkungsmechanismen, zu psych. Wirkungen und differenziellen Wirkungen, zur Prädiktion klin. Wirkungen.

Die Pharmakopsychologie beschäftigt sich seit Anfang der 1950er-Jahre überwiegend mit Substanzen, die sich bei der Therapie von Zuständen neg. Emotionalität wie Angst (Tranquillanzien), Schizophrenien (Antipsychotika) und Depressionen (Antidepressiva) sowie bei kogn. Störungen (Nootropika) einsetzen lassen. Dementspr. zeigt die gegenwärtige Pharmakopsychologie eine enge Beziehung zur psychiatrischen Pharmakotherapie. I. R. der Grundlagenforschung werden darüber hinaus «exp.» Pharmaka wie VNS-Stoffe, Psychostimulanzien und Psychotomimetika untersucht. Auch andere Stoffe mit psych. «Nebenwirkungen» werden in die Pharmakops. einbezogen, so Hormone und Stoffwechsel beeinflussende Substanzen. In den letzten Jahren hat die Toxikopharmakops. sich eingehend mit Umweltschadstoffen und ihren Wirkungen auf die Entwicklung und auf kogn. Prozesse befasst. Bes. Bedeutung für die Pharmakotherapie besitzen pharmakopsychol. Befunde zur Frage interindiv. Reaktionsunterschiede auf Pharmaka als Ausdruck von Persönlichkeitsmerkmalen sowie zur Abhängigkeit der Wirkung von psychotropen Stoffen von der Untersuchungssituation (z. B. Stress). Wichtige Fragen beziehen sich auf die Wirkung von Stoffen bei Kindern (Entwicklungsps.; Psychopharmaka im Kindes- und Jugendalter) und bei Alten (Psychopharmaka im Alter).

Referenzen und vertiefende Literatur

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