Ratingskalen-Modell
[engl. ratingscale model], [DIA, FSE], das Ratingskalen-Modell ist ein ordinales Rasch-Modell (Rasch-Modell, ordinales), dessen Itemparameter bzw. die Schwellenparameter
so restringiert werden, dass sie best. Annahmen über die verwendete Ratingskala ausdrücken. Soll z. B. eine zehnstufige Urteilsskala mit den ganzzahligen Werten von 1 bis 10 als Kategorienbeschriftung mit der Erwartung verwendet werden, dass die Antwortkategorien äquidistant (gleich-abständig) sind, so kann man diese Annahme in zwei Schritten prüfen. Man schätzt die Schwellenparameter des (unrestringierten) ordinalen Rasch-Modells und prüft, ob diese für alle Items geordnet sind und ob eine Regelmäßigkeit in den Schwellenabständen vorhanden ist. Im zweiten Schritt wird das sog. Äquidistanz-Modell auf die Daten angewendet, in dem ein konstanter Abstand jeder Schwelle von beiden benachbarten Schwellen angenommen wird. In diesem Modell wird für jedes Item ein Schwierigkeitsparameter
geschätzt, sowie ein Distanzparameter
, der den Schwellenabstand bei Item i parametrisiert.
Das Interessante an diesem Modell ist der Sachverhalt, dass die Distanzparameter als eine eigene Art von Trennschärfeparametern interpretiert werden können. Große Schwellendistanzen drücken eine schmale Verteilung der Personenparameter und somit eine geringe Trennschärfe, kleine Distanzen eine breite Verteilung und somit eine große Trennschärfe des betreffenden Items aus. Salopp kann man sagen, dass das Rasch-Modell sehr wohl unterschiedliche Item-Trennschärfen kennt. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Daten mind. drei-kategoriell sind (für weniger als drei Kategorien gibt es keine Schwellendistanzen). Zu beachten ist jedoch, dass es sich hierbei um eine ganz andere Art von Trennschärfe handelt, als es etwa der zweite Itemparameter im Birnbaum-Modell ist (Item-Response-Theorie (IRT)). Eine Prüfung, ob die Äquidistanzannahme überhaupt für alle Items gültig ist, kann über Informationstheoretische Maße wie den BIC oder Likelihoodquotienten-Tests erfolgen. Auch eine grafische Darstellung der Schwellenparameter gibt eine gute Auskunft, ob Äquidistanz bei diesen Daten angenommen werden kann.
Das Typische bei der Verwendung von Ratingskalen liegt jedoch nicht in der Annahme von Äquidistanz aller Kategorien eines Items, sondern gleicher Abstände der Antwortkategorien über alle Items. Im Normalfall wird dieselbe Ratingskala, (z. B. «0» = «trifft nicht zu», «1» = «trifft eher nicht zu», «2» = «trifft überwiegend zu», «3» = «trifft völlig zu»), für alle Items verwendet, ja die Benutzung derselben Ratingkategorien für alle Items gilt gleichsam als Voraussetzung für die Interpretation und Auswertung der Daten. Das Ratingskalen-Modell weist daher neben dem Schwierigkeitsparameter für jedes Item noch m Schwellenparameter auf, die die Schwellendistanzen über alle Items hinweg parametrisieren. Es lassen sich jedoch auch beide Annahmen kombinieren, d. h., ein Modell mit den m Kategorienparametern des Ratingskalen-Modells und den k (Anzahl der Items) Distanzparametern formulieren. Das resultierende Dispersionsmodell (Dispersion = Streuung) vereinigt nicht nur die Eigenschaften des Ratingskalen-Modells mit denen des Äquidistanz-Modells mit seinen Pseudo-Trennschärfeparametern. Es spart auch im Vergleich zum ordinalen Rasch-Modell viele Parameter ein.