Raumwahrnehmung, nichteuklidische
[engl. non-euklidian spatial perception], [KOG, WA], Theorien, wonach die visuelle Raumwahrnehmung den Axiomen (spez. den Parallelaxiomen) der euklidischen Geometrie nicht entspricht. Teilweise werden in diesen Theorien alternative Geometrien postuliert (z. B. T. Reid die «sphärische» Raumwahrnehmung oder R. K. Luneburg bzw. A. A. Blank die hyperbolische Geometrie mit konstanter Krümmung), teilweise wird angenommen, dass der visuell wahrgenommene Raum hinsichtlich der Geometrie inhomogen sei (J. M. Foley, R. N. Shepard).
Euklid hatte in seiner «Optik» eine Wahrnehmungstheorie postuliert, die den Axiomen seiner «Geometrie» entsprach. Diese Position wurde bis ins 19. Jh. mit Ausnahme von Reid (1764) als a priori wahr angenommen. Helmholtz (1867) griff B. Riemanns Hypothesen über die Fundierung der Geometrie auf und zeigte, dass physikal. (und damit implizit auch wahrgenommene) Räume die freie Beweglichkeit fester Körper voraussetzen; damit reduzieren sich die dafür möglichen Geometrien auf die euklidische, die sphärische und die hyperbolische. In W. Blumenfelds Experimenten (1913) zu parallelen bzw. äquidistanten Alleen (Blumenfeld-Allee) wurde die Frage der Geometrie des Wahrnehmungsraumes zum ersten Mal systematisch untersucht. Unter Geltung der euklidischen Geometrie sind diese Alleen gleich; die exp. Ergebnisse weisen jedoch systematische Abweichungen auf, die eine Verletzung des Parallelenaxioms implizieren. Auf diesen Ergebnissen aufbauend hat Luneburg (1947) seine Theorie der binokularen Wahrnehmung entwickelt, die auf der Annahme eines hyperbolischen Riemannschen Raums mit konstanter Krümmung basiert. Die exp. Ergebnisse von Foley über räumliche Relationen (Strecken und Winkel) bzw. von Shepard über Scheinbewegungen legen die Annahme eines hinsichtlich der Geometrie inhomogenen Wahrnehmungsraumes nahe, der lokal euklidisch oder hyperbolisch, aber global sphärisch ist.