Realkennzeichen
[engl. reality criteria], [RF], als Realkennzeichen werden inhaltliche Merkmale einer Aussage bez., die eher in erlebnisbegründeten Schilderungen auftreten als in erfundenen Aussagen (Aussagepsychologie). Erfundene Aussagen enthalten weniger schemainkonsistente und -irrelevante Details (z. B. Ungewöhnliches, Nebensächliches, Handlungsabbrüche) als erlebnisbegründete Schilderungen und zeichnen sich durch ein Fehlen solcher Aussageelemente aus, die intuitiv für Lügenindikatoren (Lügenstereotype) gehalten werden oder die Kompetenz der aussagenden Person infrage stellen könnten (z. B. Zugeben von Erinnerungsunsicherheiten, spontane Selbstkorrekturen). Die Realkennzeichen wurden zunächst von praktisch tätigen Sachverständigen aus authentischem Aussagematerial herausgearbeitet. Erst wesentlich später wurde von Steller und Köhnken (1989) eine Systematisierung vorgenommen, auf Grundlage derer zahlreiche empirische Validitätsprüfungen erfolgten. Die Begriffe Realkennzeichen, Glaubhaftigkeitsmerkmal und Qualitätsmerkmal werden innerhalb der aussageps. Literatur syn. verwendet. Die Bezeichnung Realkennzeichen hat auch in die juristische Literatur und die Rechtsprechung Eingang gefunden, ist jedoch insofern ungünstig, als sie irreführend ist. Denn eine hohe Aussagequalität spricht zwar gegen die Annahme, dass eine aussagende Person darum bemüht ist, eine Erfindung überzeugend zu präsentieren, kann also geeignet sein, die Lügenhypothese zurückzuweisen, dies lässt aber noch nicht den Schluss zu, dass die Schilderung einen Realitätsbezug aufweist, da die Lügenhypothese nur eine der im Rahmen der Glaubhaftigkeitsbegutachtung zu widerlegenden Gegenhypothesen zur Wahrannahme darstellt (Volbert, 2010). Fälschung(-sverhalten), Merkmalsorientierte Inhaltsanalyse, primäre Täuschung, sekundäre Täuschung.