Schlafstörungen

 

[engl. sleep disorders], syn. Agrypnie, [KLI], Ein- und/oder Durchschlafstörungen, die sich neg. auf die Leistungsfähigkeit oder die Tagesbefindlichkeit auswirken, werden als Insomnien (Morin & Benca, 2012) bez. Eine typische Beeinträchtigung am Tag umfasst dabei eines oder mehrere der folg. Symptome: Müdigkeit, Aufmerksamkeits- oder Konzentrationsprobleme, daraus resultierende Schwierigkeiten in Schule, Ausbildung oder Beruf, Veränderungen in der Stimmung, Anfälligkeit für Unfälle, z. B. bei der Arbeit oder beim Autofahren, Kopfschmerzen, gastrointestinale Symptome und ausgeprägte Sorgen aufgrund der und um die Schlafstörungen.

Ätiologie: Akuter Stress führt bei den meisten Menschen zur Entwicklung einer akuten Schlafstörung. Jedoch chronifiziert sich die Symptomatik nur bei einem Teil derjenigen, die von einer akuten Schlafstörung betroffen sind. Für diese Entwicklung einer chronischen Insomnie werden versch. Faktoren als bedeutsam erachtet. So wird davon ausgegangen, dass eine genetische Prädisposition für die Entwicklung von chronischen Schlafstörungen eine Rolle spielt, da Insomnien familiär gehäuft auftreten. Ätiologische Modelle postulieren darüber hinaus, dass Hyperarousal, eine kogn., emotionale und physiol. Übererregung, eine wichtige Rolle spielt. So berichten viele Betroffene, dass es ihnen v. a. abends im Bett kaum gelingt, gedanklich «abzuschalten», was als kogn. Hyperarousal bez. wird. Inhaltlich denken diese Menschen häufig an belastende Lebensumstände oder an ihre Schlafstörung und deren Auswirkungen auf ihren Alltag. Diese Zuwendung von Aufmerksamkeit zum Thema Schlaf ist pathophysiol. bedeutsam, da dadurch der bei Gesunden automatisiert ablaufende Prozess des Einschlafens gestört wird. Darüber hinaus neigen viele Betroffene abends im Bett zum Erleben von neg. Emotionen, was als emotionales Hyperarousal bez. wird. Z. B. erleben viele Menschen mit Schlafstörungen intensiven Ärger, da sie nicht (ein)schlafen können oder ausgeprägte Angst in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit am nächsten Tag. Zudem wird von einem sog. physiol. Hyperarousal ausgegangen, also einer körperlichen Übererregung, was sich bspw. durch eine erhöhte Herzfrequenz oder eine erhöhte Gehirnaktivität im Schlaf zeigt. Bei vielen Betroffenen lässt sich außerdem dysfunktionales Verhalten beobachten, das zu der Entwicklung und Aufrechterhaltung der Schlafstörungen beiträgt. Dazu zählen z. B. unregelmäßige Bettzeiten sowie Fernsehen, Lesen oder Arbeiten im Bett. Darüber hinaus legen sich viele Betroffene abends schon früh schlafen, stehen morgens spät auf und versuchen zusätzlich, tagsüber zu schlafen. Viele tun dies in dem Glauben, dass eine Verlängerung der Bettzeit zwangsläufig zu mehr Schlaf führt. Tatsächlich wird es damit jedoch wahrscheinlicher, dass Ein- und Durchschlafstörungen auftreten. Viele Betroffene schauen nachts wiederholt auf die Uhr, um zu kontrollieren, wie lange sie schon wach liegen bzw. wie viele Std. sie noch schlafen können. Auch dieses Verhalten ist eher dysfunktional, da es nächtliches Grübeln verstärken kann.

Klassifikation: Für die Diagnose nicht organische Insomnie (ICD-10) bzw. Insomnische Störung (DSM-5) wird gefordert, dass Betroffene über Ein- und/oder Durchschlafstörungen klagen und dass diese mit neg. Folgen am Tag assoziiert sind (Klassifikation psychischer Störungen; s. Anhang I, F51). Als sekundäre Insomnien wurden in Abgrenzung zu primären Insomnien im DSM-IV solche Insomnien bez., die i. R. einer körperlichen oder psych. Erkrankung oder als Folge der Einnahme von psychotropen Substanzen auftreten. In der Neufassung des DSM (DSM-5) wurde die Unterscheidung in primäre und sekundäre Insomnien jedoch aufgegeben. Der Grund hierfür ist, dass in den meisten Fällen nicht sicher festgestellt werden kann, ob eine Insomnie tatsächlich durch eine andere gleichzeitig vorliegende Erkrankung verursacht wurde oder nicht.

Prävalenz und Verlauf: Insomnien zählen zu den häufigsten psych. Störungen, denen klin. arbeitende Psychologen begegnen. Etwa 10 % der Menschen in westlichen Industrienationen leiden unter einer Insomnie, wobei Frauen etwa eineinhalbmal häufiger betroffen sind als Männer und die Prävalenz mit dem Lebensalter deutlich ansteigt. Bei den meisten Betroffenen verläuft die Schlafstörung chronisch. So erfüllen mehr als 70 % der Pat., die an einer Insomnie erkranken, auch ein Jahr später noch die Diagnosekriterien. Insomnien erhöhen das Risiko für andere psych. und körperliche Erkrankungen. So haben Menschen, die an einer chronischen Insomnie leiden, ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von DepressionenAngststörungen und substanzbezogenen Störungen (Sucht- und substanzbezogene Störungen). Zudem sind Insomnien bedeutsam für den Verlauf von Depressionen und substanzbezogenen Störungen, das bedeutet, Pat. mit Schlafstörungen erleiden häufiger Rezidive bzw. Rückfälle. Darüber hinaus sind Insomnien ein Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen. Insges. sind unbehandelte Insomnien mit einer deutlich erhöhten Inanspruchnahme des Gesundheitssystems sowie mit einer verminderten Arbeitsleistung und höheren Arbeitsfehlzeiten verbunden, was ausgeprägte gesundheitsökonomische Folgen hat.

Diagnostik: Der wichtigste Baustein der Diagnostik von Insomnie ist die schlafmed. Anamnese. Zusätzlich wird der Einsatz von Schlaftagebüchern zur präzisen Erfassung der Symptomatik empfohlen.

Referenzen und vertiefende Literatur

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