Semantisches Differenzial
[engl. semantic differential; gr. σημαίνειν (semainein) bezeichnen, lat. differentia Unterschied], [DIA, FSE], ein von Osgood entwickeltes Skalierungsverfahren (Skalierung, Methoden der) zur Messung der konnotativen Bedeutung (affektiven Qualität, Konnotation) beliebiger sprachlicher oder nichtsprachlicher Stimuli. Im dt. Sprachbereich werden auch die Bez. Polaritäts- oder Polaritätenprofil und Eindrucksdifferenzial verwendet. Der Beurteiler hat vorgegebene Stimuli, z. B. Begriffe, auf einen Satz vorgegebener, meist mit Adjektiven bipolar etikettierter Ratingskalen vom Typ Likerts einzustufen.
Z. B. Liebe: rund 3–2–1–0–1–2–3 eckig. Urteilsgrundlage soll die lediglich metaphorische Beziehung, die gefühlsmäßige Affinität der Begriffe sein, die denotativ (sachlich) oft nichts miteinander zu tun haben (z. B. Liebe passt eher zu rund, hat aber mit geometrischer Form nichts zu tun). Im typ. Anwendungsfall werden nach Einstufung einer Stichprobe von Begriffen auf einem Satz von Skalen die Skalenvariablen interkorreliert und faktorenanalytisch auf zugrunde liegende Dimensionen reduziert. Sprachvergleichende Untersuchungen Osgoods mit dem Semantischen Differenzial haben gezeigt, dass folg. drei Dimensionen universell auftreten: evaluation (Valenz, z. B. angenehm – unangenehm), potency (Potenz, z. B. stark – schwach), activity (Aktivität, Erregung, z. B. erregend – beruhigend). Diese konstituieren den affektiven «semantischen Raum» (generative Semantik). Die konnotative Ähnlichkeit zw. je zwei Begriffen wird durch Distanzen zw. Punkten in diesem Raum metrisch repräsentiert. Zu den noch ungelösten methodologischen Problemen des Semantischen Differenzials gehören das der Wechselwirkung zw. Urteils- und Skalenbegriff (concept-scale interaction) und die Ausschaltung oder Isolierung des Einflusses denotativer Bedeutungsrelationen. Das Semantische Differenzial ist als generelles (unspezifisches) Messverfahren bei Untersuchungen zur Allg. Ps., zur Persönlichkeits- und Sozialps. verwendet worden. Es wird eingesetzt etwa bei Fragen der Emotion, der Motivation, der Einstellung, der Synästhesie, der Persönlichkeitstests, der Soziometrie und bei angewandten Problemen, z. B. affektive Wirkung durch Industriewerbung, durch politische Slogans.