Sprachtheorie
[engl. linguistic theory], [KOG], zu einer sprachtheoretischen Reflexion i. w. S. rechnet man theoret. Ansätze, deren Ziel es ist, über die Beobachtung von Einzelphänomenen hinaus allg. Gesetzmäßigkeiten über die menschliche Sprache zu formulieren und damit zu definieren, was letztlich unter einer natürlichen Sprache zu verstehen ist und worin sie sich von anderen Kommunikationsformen (nicht verbale Kommunikation) unterscheidet (Schlieben-Lange, 1975, Wunderlich, 1976). Es gibt bis zum heutigen Zeitpunkt keine umfassende Theorie, die dem Phänomen Sprache in seiner Komplexität gerecht wird und die in der Lage wäre, für alle Ebenen sprachlicher Strukturbildung (z. B. Phonetik, Syntax, Morphologie, Semantik, Pragmatik) entspr. Gesetzmäßigkeiten vorzulegen. Die Heterogenität verfügbarer Ansätze ist u. a. darauf zurückzuführen, dass man sich sprachlichen Phänomenen mit unterschiedlichen Methoden (z. B. deduktiv (Deduktion) oder induktiv (Induktion)) und mit Präferenzen für eher formale oder funktionale Erklärungszusammenhänge nähern kann. Während funktionale Ansätze die soziale Aufgabe sprachlicher Zeichen in der Kommunikation betonen (zur Koexistenz versch. Funktionen vgl. schon Bühler (1934) und neuere pragmatische Perspektiven), stehen für formal orientierte Arbeiten systeminterne Strukturzusammenhänge im Vordergrund. Zu den für die Ps. bedeutsamsten formalen Ansätzen gehört die generative Theorie. Nach Chomsky (1965, 1986) besteht ihre wichtigste Aufgabe darin, eine Theorie möglicher Grammatiken zu erstellen. Es gilt also, folg. Abstraktionsstufen zu unterscheiden (Bense, 1978, Janssen, 1982): (1) die Ebene der Sätze (Satz) einer jew. Einzelsprache (des Englischen, Russischen, Dt. etc.), d. h. sprachliche Daten, über die generalisiert werden soll. (Man beachte, dass auch «Satz» schon eine Idealisierung beinhaltet; der Beobachtung zugänglich sind allenfalls Äußerungen in ihren Kontexten.) (2) Die Ebene der einzelsprachlichen Grammatik (d. h. einer Grammatik des Englischen, des Russischen etc.), die eine Beschreibung der jew. Einzelsprache (und damit auch schon eine «Theorie») darstellt. (3) Die Ebene der linguistischen Theorie (Linguistik), welche die Gesetzmäßigkeiten enthält, denen sämtliche einzelsprachliche Grammatiken der Ebene (2) gehorchen.
Diese Theorie wird auch als Universale Grammatik bez. (in der Literatur oft abgekürzt als UG), ihre einzelnen Axiome als Universalien. Die Universale Grammatik (Universalien, universelle Grammatik) enthält ein Inventar von Kategorien, Merkmalen, Regeltypen etc., aus dem alle natürlichen Sprachen schöpfen können. Beschränkt (und «erklärt») durch die Theorie wird also in erster Linie die Form möglicher Grammatiken und nur indirekt die Form natürlicher Sprachen (Chomsky, 1986). Ein wichtiges Ziel besteht darin zu zeigen, dass sich viele Unterschiede zw. Einzelsprachen innerhalb eng eingeschränkter Variationsräume (sog. Parameter, Felix & Fanselow, 1987, Grewendorf et al., 1987) bewegen. Für die Ps. bedeutsam sind weiterhin einige von Chomsky (1965) explizit gezogene Parallelen, wonach (1) die linguistischen Theorien ihr ps. Äquivalent in einer a priori vorhandenen Sprachfähigkeit (Prädisposition) des Kindes finden und (2) die einzelsprachliche Grammatik ein Modell des sprachlichen Erkenntnis- oder Wissenssystems (Kompetenz) eines Sprechers/Hörers darstellt. Chomskys nativistische Annahme (Nativismus), dass Universalien weder induktiv entdeckt noch auf allgemeinere kogn. Konzepte und Verarbeitungsprinzipien reduziert werden können, hat eine Fülle kontroverser Diskussionen ausgelöst und das klass. Spannungsverhältnis zw. versch. erkenntnistheoret. Positionen (Empirismus vs. Rationalismus) und psychol. Paradigmen (neobehavioristische, nativistische und kognitivistische) neu belebt (Piattelli-Palmarini, 1980, Hornstein & Lightfoot, 1981, Felix & Fanselow, 1987).