Suizidalität unter Psychopharmakotherapie

 

[engl. suicidality during psychopharmacotherapy], [PHA], für Antidepressiva und Antikonvulsiva wird z. T. schon sehr lange diskutiert, dass sie Suizidgedanken oder -impulse auslösen oder verschlimmern können. Große Metaanalysen haben gezeigt, dass in klin. Studien unter Antidepressiva bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen (18–24 Jahre) mehr Suizidgedanken oder -impulse zu beobachten sind als unter Placebo. Das führte zu entspr. Warnungen der Arzneimittelzulassungsbehörden in den Fachinformationen und Packungsbeilagen. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass zu Beginn der Behandlung gerade unter den neueren serotonergen Antidepressiva Unruhe, Rastlosigkeit und Erregung auftreten können, die von einigen – entspr. disponierten – Pat. als so aversiv erlebt werden, dass sie Suizidgedanken oder -handlungen verstärken oder sogar auslösen können. Bei Behandlungsbeginn sind Pat. daher auf dieses Risiko hinzuweisen und in den ersten Behandlungswochen engmaschig auf Hinweise für Suizidalität zu untersuchen. Metaanalysen zeigen auch, dass das Risiko der Induktion von Suizidgedanken oder -impulsen durch Antidepressiva mit dem Alter abnimmt, bei Pat. über 65 Jahren ist es geringer als unter Placebo. Es ist zu beachten, dass Suizidalität ein mit einer depressiven Störung assoziiertes Syndrom ist, und dass sie nicht notwendigerweise mit der Pharmakotherapie assoziiert ist. Epidemiologische Studien zeigen, dass die mit der Einführung der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer verbundene bessere Versorgung von Menschen mit depressiven Störungen weltweit in nahezu allen Industriestaaten zw. 1985 und 2000 mit einer z. T. deutlichen Abnahme der Suizidraten assoziiert war. Auch für Antikonvulsiva verfügte die amerik. Arzneimittelzulassungsbehörde FDA 2008 die Aufnahme eines Warnhinweises, nachdem Befunde aus klin. Studien auf eine im Vergleich zu Placebo erhöhte Rate von Suizidgedanken und suizidalem Verhalten – vor allem zu Behandlungsbeginn – hingewiesen hatten. Es ist unklar, ob sich Antikonvulsiva in dieser Hinsicht in den Indikationen «Epilepsie» und «bipolare Störungen» differenziell verhalten. Neuere Bewertungen legen nahe, dass Antikonvulsiva, die zur Behandlung bipolarer Störungen eingesetzt werden (Carbamazepin, Lamotrigin, Valproinsäure), ein geringeres Risiko der Induktion von Suizidgedanken bzw. -handlungen bergen als Antikonvulsiva, die ausschließlich zur Behandlung von Epilepsien eingesetzt werden (Levetiracetam, Tiagabin, Topiramat, Vigabatrin). Es ist auch hier zu beachten, dass die Nichtbehandlung einer bipolaren affektiven Störung mit einem erheblichen Suizidrisiko einhergeht. Für das Antipsychotikum Clozapin und den Stimmungsstabilisierer Lithium gilt ein suizidpräventiver Effekt als belegt.