Trieb, psychoanalytische Betrachtung
[engl. drive, instinct; franz. pulsion], [EM, KLI], ein Trieb ist nach psychoanalytischer Betrachtung (Psychoanalyse) ein innerseelischer Drang, der sich aus organismischen Zuständen speist, seine (vermutete) Quelle im biol. Körper besitzt und dessen Dynamik im Psych. eine Entwicklung bzw. Veränderung erfordert, die (durch einen oder mehrere Vorgänge) letztlich auf die Aufhebung des unlustvollen Reizes zielt. Es ist somit ein zentraler, die psych. Entwicklung des Einzelnen beschreibender Begriff, der im Kern der psychoanalytischen Motivationslehre steht; dabei soll das Lustprinzip durch das Realitätsprinzip ersetzt bzw. modifiziert werden. Triebe sind «die eigentlichen Motoren der Fortschritte» und besitzen einen «konstant drängenden Charakter» (Freud, 1915b, 213). Ziel des psychischen Apparates ist die Verwandlung des durch den Trieb ausgelösten unlustvollen Zustandes in einen eigentlich reizlosen (homöostastisches Prinzip, Homöostase), meist in Form einer «Abfuhr» (Katharsis, psychoanalytisch) oder «Abwehr» (Abwehrmechanismen des Ich, Triebschicksal) bzw. einer (auto- oder alloplastischen) Veränderung. Freud unterscheidet neben Quelle, Objekt und Ziel eines Triebes auch versch. Triebqualitäten (Selbsterhaltung, Sexualität, Aggression; Triebtheorie nach Freud) und den sog. Drang.
Quelle: jener somatische Vorgang, dessen Reiz im Psych. sich als Trieb bemerkbar macht; Freud spekuliert hier über chemische oder mechanische Kräfte. Eine Einteilung nach Quellen nimmt er ebenfalls vor (erogene Zonen).
Ziel: allg. immer die Befriedigung; jedoch können versch. Wege, auch intermediäre Ziele, miteinander kombiniert oder gegeneinander getauscht werden.
Objekt: «dasjenige, an welchem oder durch welches der Trieb sein Ziel erreichen kann». Als das variabelste Bestimmungsmerkmal ist es «nur infolge seiner Eignung zur Ermöglichung der Befriedigung zugeordnet» (Freud, 1915b, 215).
Drang: motorischer Moment, Summe von Kraft. Der Charakter des Drängenden ist das allg. Wesen des Triebs Freud entwickelte seinen Triebbegriff am Modell der Sexualität, wobei er den Begriff des Sexuellen maßgeblich erweitert (Psychosexualität) bzw. eine größere Zahl von Vorstellungen und Handlungen in ihn einbezieht. Dabei nennt er den Drang als wichtigen, das Wesen des Triebs bestimmenden Faktor, den er quant. (ökonomischer Gesichtspunkt der Metaps.) als «Arbeitsanforderung» an das Seelische gerichtet sieht. Verstanden wird der Trieb als «Grenzbegriff zw. Seelischem und Somatischem, als psych. Repräsentant der aus dem Körperinneren stammenden, in die Seele gelangenden Reize, als ein Maß der Arbeitsanforderung, die dem Seelischen infolge seines Zus.hanges mit dem Körperlichen auferlegt ist» (Freud, 1915b, 214). In neuerer Zeit lässt sich beobachten, dass anstelle des Triebkonzeptes auf andere Begriffe zur Erklärung der nämlichen Sachverhalte zurückgegriffen wird; so konzentrieren z. B. Kernberg (1997b) und Krause (1997/1998) ihre Theorien stärker um den Affektbegriff bzw. um Vorstellungen, die die Affekte als Nachfolger der Triebe erscheinen lassen.