Verarbeitungsbaummodelle, multinomiale
[engl. processing tree models, multinomial], syn. MVB-Modelle, [FSE, KOG], sind stat. Modelle (Statistik) für kategoriale Häufigkeitsdaten, die besonders in der kogn. Ps. und der Sozialps. zur Messung kogn. Prozesse (Kognition) und zur Prüfung von Hypothesen über vermittelnde kogn. Prozesse eingesetzt werden (Riefer & Batchelder, 1988). Anders als Standardmodelle für Häufigkeitsdaten (z. B. Log-lineare Modelle) sind sie auf spezif. psychol. Fragestellungen, Aufgaben und Untersuchungsparadigmen zugeschnitten. MVB-Modelle basieren auf der Annahme multinomial verteilter Antworthäufigkeiten (Häufigkeitsverteilung). Die Wahrscheinlichkeiten für versch. Antworten werden in einem MVB-Modell als Funktion der Wahrscheinlichkeiten zugrunde liegender kogn. Zustände und Prozesse repräsentiert. Für gegebene empirische Häufigkeitsverteilungen können diese Wahrscheinlichkeiten dann mit stat. Standardverfahren (z. B. der Maximum-Likelihood-Methode) geschätzt werden (Punktschätzungen, Konfidenzintervall). MVB-Modelle ermöglichen insofern eine simultane Messung versch. psychol. Prozesse, die bei einer Aufgabenbearbeitung involviert sind. So ist es bspw. möglich, den Beitrag unterschiedlicher Gedächtnisprozesse und Antworttendenzen in versch. Gedächtnistests zu separieren oder den Einfluss von Speicherungs- und Abrufprozessen auf freie Reproduktionsleistungen abzuschätzen. In der Denkps. können analog Einflüsse analytischer und heuristischer Denkprozesse (Heuristik) bei der Bearbeitung von Schlussfolgerungsaufgaben (Schließen, logisches) untersucht werden, während in der Sozialps. der Einfluss von soz. Kategorisierungs-, Gedächtnis- und Rateprozessen in soz. Gedächtnisurteilen isoliert und quantifiziert werden kann (zus.fassend: Erdfelder et al., 2009). MVB-Modelle können für Gruppenvergleiche ebenso eingesetzt werden wie für differenzialpsychol. Analysen zur Erfassung und Erklärung indiv. Unterschiede in kogn. Prozessen (Klauer, 2010).