Vergebung
[engl. absolution, forgiveness], [SOZ], kann verstanden werden als eine Reaktion auf persönlich oder kollektiv erfahrenes Unrecht. Diese kann Veränderungen in kogn. (z. B. Berücksichtigung der situativen Faktoren i. Ggs. zu den persönlichen, die zur Übeltat geführt haben), affektiven (z. B. Empathie für den Täter oder die Tätergruppe entwickeln und Groll vermeiden), motivationalen (z. B. Vergeltungsimpulse hemmen) und Verhaltenskomponenten (z. B. sich für das allg. Wohlbefinden des Täters oder der Tätergruppe kümmern) beinhalten, die – im Vergleich zu der Anfangsreaktion unmittelbar nach dem Unrecht – in Bezug auf den Täter oder die Tätergruppe vorwiegend pos. sind. Es gibt zwei Traditionen der Vergebungsforschung, die sich auf psychologische Vorgänge der Vergebung zw. Individuen (McCollough et al., 1997) bzw. zw. Opfer- und Tätergruppen (Noor et al., 2012) konzentrieren. Es ist umstritten, ob Vergebung auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruht. Eine Position geht davon aus, dass Vergebung nur dann eine pos. Auswirkung auf die Opfer-Täter-Beziehung haben kann, wenn der Vergebung ein gewisses Maß an Schuldanerkennung, Reue und Wiedergutmachung vorausgeht. Diese psychol. Voraussetzungen sollen verhindern, dass die Opfer möglicherweise weiteren Ausbeutungen ausgesetzt werden können und dass die Täter ihrer Verantwortung entfliehen. Eine andere Position geht davon aus, dass bedingungslose Vergebung auch psychol. Nutzen haben kann, etwa in Situationen, in denen Opfer und Täter nicht klar identifizierbar sind aufgrund gegenseitiger Gewaltausübung, oder in Situationen, wo ein großer Teil der Gesellschaft an Massengewalt beteiligt war (z. B. Rwanda). In solchen Verhältnissen können die obigen Voraussetzungen Vergebung erschweren und somit den Weg zur friedlichen Koexistenz zw. Opfern und Tätern verzögern. Darüber hinaus können solche Voraussetzungen zu einer möglichen Konkurrenz um das größere Leid zw. den Konfliktparteien führen (competitive victimhood», Noor et al. 2012), was weiterhin die Vergebungschancen verringern kann. Entschuldigungen.